MarokkoGeplante Reform als unzureichend kritisiert
Als Reaktion auf die Proteste in der arabischen Welt will der König von Marokko Reformen durchführen. Die Protestbewegung bleibt unzufrieden - und kündigte neue Demonstrationen an.

König Mohammed VI. gibt Teile seiner Macht ab - die Opposition ist skeptisch.
Unter dem Eindruck der Demokratiebewegung in Nordafrika ist Marokkos König Mohammed VI. bereit, etwas von seiner Macht abzugeben. Am Freitagabend präsentierte er Pläne für eine Verfassungsreform, die der Regierung mehr Befugnisse einräumt.
In einer Fernsehansprache rief er die Marokkaner auf, den Vorschlägen in einem Referendum am 1. Juli zuzustimmen. Die jetzige Verfassung ist 15 Jahre alt und gibt dem König die Machtfülle eines absoluten Herrschers. Wie in vielen anderen nordafrikanischen und arabischen Staaten gehen die Menschen auch in Marokko seit Monaten für Freiheit und Demokratie auf die Strasse.
Nach den Plänen will der König nun seinen Status als geistliches Oberhaupt aller Marokkaner aufgeben. Zugleich will er jedoch als «Kommandeur der Gläubigen» Anführer der marokkanischen Muslime bleiben. Weiter bleibt er Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Verfassung betont ferner die «Unantastbarkeit» des Königs.
Allerdings kann er künftig nicht mehr allein einem anderen Land den Krieg erklären oder über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen entscheiden. Eine weitere Neuerung ist die Besserstellung der Berber: Ihre Sprache Tamazight soll gleichberechtigt mit Arabisch offizielle Amtssprache werden.
Neue Befugnisse für die Regierung
Künftig muss der König einen Premier aus jener Partei ernennen, die bei Wahlen die meisten Parlamentssitze erhalten hat; bislang konnte er den Regierungschef nach Gutdünken bestimmen.
Zugleich erhält der Premier weitere Befugnisse. So soll er selbst über Ernennung und Entlassung von Ministern und über weitere wichtige Regierungsposten entscheiden und nicht mehr der König. Zudem soll der Regierungschef das Parlament auflösen dürfen.
Dagegen bleibt die Ernennung der mächtigen Gouverneure in den Regionen dem König vorbehalten, der auch weiter zwei der wichtigsten Gremien im Machtgefüge vorsitzt: Dem Ministerrat und dem Obersten Sicherheitsrat. Der Ministerpräsident kann zwar deren Sitzungen leiten, aber nur nach der vom König vorgegebenen Tagesordnung. Damit erhält sich Mohammed auch in der Tagespolitik seine Schlüsselrolle.
Gewaltenteilung
Ferner ist eine Trennung von Judikative und Exekutive vorgesehen. Der König wird zwar offiziell dem Hohen Rat der Justiz, dem obersten Rechtsorgan des Staates, vorstehen. Aber diese Aufgabe wird er an den Präsidenten des Obersten Gerichts delegieren. Dem Gremium sollen Richter und der Leiter des Nationalen Menschenrechtsrates angehören - nicht aber der Justizminister wie bislang.
Auch die Rolle des Parlaments will Mohammed stärken. Untersuchungen sollen bereits mit der Unterstützung von einem Fünftel der Abgeordneten eingeleitet werden können; Misstrauensanträge gegen Kabinettsmitglieder mit einem Drittel. Bisher ist dafür Einstimmigkeit nötig. Zudem darf das Parlament eine Generalamnestie erlassen - auch das war bislang nur das Recht des Monarchen.
Mohammed sagte, die Reform bestätige «die parlamentarische Natur des politischen Systems Marokkos». Damit werde der Grundstein für ein «effizientes, rationales Verfassungssystem gelegt, dessen Kern die Balance, Unabhängigkeit und Gewaltenteilung ist und dessen wichtigstes Ziel die Freiheit und Würde der Bürger ist.»
Der Monarch hatte die Reform bereits im März angekündigt. Eine Kommission hatte den Entwurf unter Beteiligung der politischen Parteien, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und anderen Vertretern der Gesellschaft erarbeitet.
Opposition skeptisch
Nach Mohammeds Rede fuhren Autos mit marokkanischen Fahnen hupend durch die Strassen von Rabat, auf den Boulevards waren jubelnde junge Menschen zu sehen. Während der König populär ist, gelten die ihm in der Regel ergebenen Politiker und Parteien als korrupt und habgierig.
Aktivisten der Demokratiebewegung 20. Februar reagierten skeptisch. «Vorher hatten wir einen absoluten Monarchen, jetzt haben wir einen absoluten Monarchen und auch noch einen Papst», sagte der Aktivist Elaabadila Chbihna.
Die Änderungspläne erfüllten die Forderungen nach einer «echten Gewaltenteilung» nicht, sagte ein weiterer Vertreter. Deshalb seien für Sonntag in mehreren Städten «friedliche» Demonstrationen für eine «wirklich demokratische Verfassung und eine parlamentarische Monarchie» geplant. (sda)