Zürcher Recycling-AffäreGeschasster Amts-Chef verwaltete Geheim-Tresor
Eine undeklarierte Kasse, sieben Dienstautos für Privatgebrauch: Bei ERZ Zürich werden weitere Verfehlungen bekannt. Der Stadtrat fordert eine umfassende Untersuchung.
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- sda/ced/rom
In einem Bürogebäude von Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ)
sei ein Safe sichergestellt worden, der Couverts mit Bargeld in der Höhe von rund 215'000 Franken und 2200 Euro enthalten habe, teilte die Stadt Zürich am Mittwoch mit. Es bestehe der Verdacht, dass diese Kasse seit 15 Jahren bestehe. Verwaltet haben soll sie der mittlerweile freigestellte ERZ-Direktor Urs Pauli. «Er hatte nach eigener Aussage Zugang zur Kasse», sagte Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) vor den Medien.
Das Geld stamme wahrscheinlich aus Verkäufen von ausgemusterten Amtsfahrzeugen und Fahrzeugteilen. In der offiziellen Rechnung des Amtes erscheint diese Kasse jedoch nirgends, was gegen die städtischen Haushaltsregeln verstösst. Wie viel aus dieser schwarzen Kasse wofür entnommen wurde, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft hat das gefundene Geld sichergestellt.
Autos für private Zwecke
In den vergangenen Tagen zeigte sich zudem, dass Urs Pauli nicht der Einzige war, der ein Dienstfahrzeug für private Zwecke nutzte. Pauli habe sieben Kadermitarbeitenden erlaubt, ebenfalls je ein Auto privat zu nutzen. Dabei handelt es sich laut Leutenegger um «normale Autos», die deutlich günstiger seien als das von Pauli. «Das teuerste kostete 50'000 Franken.» Das letzte wurde im Jahr 2015 in Verkehr gesetzt. Die Autos - darunter VWs und Skodas - wurden eingezogen und sollen verkauft werden.
Leutenegger will jetzt wissen, ob es bei ERZ noch mehr Verfehlungen gibt. Er beantragt dem Stadtrat deshalb, eine externe Untersuchung einzuleiten. Diese solle vor allem mögliche Kompetenzüberschreitungen, die Nichteinhaltung von Regeln bei Ausschreibungen sowie Ungereimtheiten bei Beteiligungen untersuchen.
Strafanzeige wegen ungetreuer Amtsführung
Gegen den freigestellten ERZ-Direktor Urs Pauli wurde Strafanzeige wegen Verdachts auf ungetreue Amtsführung eingereicht. Er soll sich im Jahr 2012 widerrechtlich einen teuren BMW geleistet und auch privat genutzt haben.
Dies ist nicht das erste Mal, dass Pauli in die Kritik gerät. Ende 2015 wurde bekannt, dass im Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz gegen das Submissionsrecht und interne Vorschriften verstossen worden war. Eine Administrativuntersuchung zeigte ausserdem, dass der Objektkredit für das Logistikzentrum Hagenholz wegen zahlreicher interner Verfehlungen um 14,7 Millionen Franken überschritten wurde. Hinweise auf Straftaten gab es damals zwar keine. Der Stadt entstand auch kein finanzieller Schaden.
«Pauli genoss Vertrauensbonus»
Nun ist jedoch ein ganzer Katalog neuer Verfehlungen hinzugekommen. Die Kompetenzüberschreitungen von Pauli lassen sich bis ins Jahr 1999 zurückverfolgen. Leutenegger sprach von einem etablierten System, das lange unentdeckt geblieben sei: «Pauli hat mich und meine Vorgänger an der Nase herumgeführt. Er ging dreist und unverfroren vor.»
Als er vor drei Jahren das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement übernommen habe, habe Pauli als langjähriger Direktor des ERZ einen «Vertrauensbonus» genossen, sagt Leutenegger. Dass er von den Machenschaften lange nichts erfahren hat, führt der Stadtrat auf das «Fehlen verwertbarer Fakten» zurück. Leutenegger kündigte er an, Pauli auf dem zivilrechtlichen Weg zu belangen, falls der Stadt ein Schaden durch ihn entstanden sei.
AL fordert PUK
Bei der Alternativen Liste (AL), die laut Fraktionschef Andreas Kirstein seit Jahrzehnten auf die «selbstherrliche Politik» beim ERZ hinweist, ist man über die neusten Enthüllungen wenig überrascht: «Der autokratische Führungsstil von Herrn Pauli hat diesen ganzen Filz erst möglich gemacht», sagt er. Leid täten ihm all die anständigen ERZ-Büezer, die sich nichts zu Schulde hätten kommen lassen.
Die AL meldete sich in der abendlichen Sitzung des Zürcher Stadtparlaments als einzige Partei zu Wort. Sie hält nichts von Leuteneggers Vorschlag einer zweiten Untersuchung. Diese komme zur Unzeit und von der falschen Instanz, so die AL.
Der Stadtrat sei nicht in der Lage, den ERZ-Skandal unabhängig aufzuarbeiten. Deshalb müsse jetzt der Gemeinderat Verantwortung übernehmen. Es brauche eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Deren Auftrag müsse in den nächsten Wochen definiert werden, fordert die AL in ihrer Fraktionserklärung. «Wir sind nun dabei, Mehrheiten für eine PUK zu finden», sagt Kirstein.
Bei der CVP beispielsweise ist man allerdings skeptisch bezüglich einer PUK: «Es läuft bereits ein Strafverfahren, zudem sind auch die Rechnungs- und die Geschäftsprüfungskommission eingeschaltet», sagt Fraktionschefin Karin Weyermann. Zur schwarzen Kasse und den weiteren Dienstfahrzeugen für den Privatgebrauch sagt sie: «So etwas darf es einfach nicht geben – man fragt sich schon, was da noch alles zum Vorschein kommt.»