Managed-Care-Vorlage: Gesundheitsreform droht zu scheitern

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Managed-Care-VorlageGesundheitsreform droht zu scheitern

Wer als Patient auf eine freie Arztwahl verzichtet, soll belohnt werden. Doch über die Ausgestaltung der finanziellen Anreize sind sich die Politiker uneinig. Ein Scherbenhaufen zeichnet sich ab.

Lukas Mäder
Bern
von
Lukas Mäder
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Bern

Im Gesundheitswesen lässt sich sparen, wenn der Patient seine Behandlung aus einer Hand gesteuert erhält. Daneben steigt mit solchen Managed-Care-Modellen die Qualität der medizinischen Versorgung. Deshalb soll den Versicherten ein Wechsel von der freien Arztwahl hin zum Managed-Care-Modell schmackhaft gemacht werden. Doch die Politiker sind sich uneinig. Bereits seit Jahren berät das Parlament in Bern eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes, die finanzielle Anreize schaffen soll für den Umstieg auf Managed Care. Die Differenzen sind so gross, dass in der laufenden Session die gesamte Vorlage zu scheitern droht.

Letzter Streitpunkt zwischen National- und Ständerat ist die Höhe des Bonus beziehungsweise Malus beim Selbstbehalt. Die Kleine Kammer will Patienten, die sich für ein Managed-Care-Modell entscheiden mit einem tieferen Selbstbehalt von 7,5 Prozent belohnen, einer Art Bonus. Versicherte mit freier Arztwahl, wie sie heute grundsätzlich besteht, sollen neu 15 Prozent Selbstbehalt übernehmen. Heute liegt dieser für alle bei 10 Prozent. Dieser 7,5/15-Vorschlag findet auch Unterstützung von den Linken. Die bürgerlichen Parteien wollen hingegen keinen Bonus für Managed-Care-Versicherte. Sie sollen weiterhin 10 Prozent Selbstbehalt bezahlen. Dafür gibt es einen Malus für Patienten nach herkömmlichem System, indem sie 20 Prozent Selbstbehalt bezahlen sollen. Der Nationalrat will ebenfalls dieses Modell.

Bürgerliche müssten sich einigen

Weil sich die beiden Räte nicht einigen konnten, muss nun die Einigungskonferenz der beiden Kommissionen am Mittwoch einen Vorschlag machen. Lehnt eine Kammer diesen ab, ist die gesamte Gesetzesänderung gescheitert. Dass dies nicht geschieht, liege in der Hand von SVP, FDP und CVP, sagt SVP-Gesundheitspolitiker Toni Bortoluzzi: «Wenn sich diese drei Parteien einigen, dann kommt die Vorlage durch.» Dies kann aber nur mit der Variante 10/20-Prozent geschehen. Denn Bortoluzzi befürchtet steigende Kosten, wenn die Managed-Care-Versicherten nur noch 7,5 Prozent Selbstbehalt haben. «Ich kann nicht eine Vorlage vertreten, wenn die Gefahr besteht, dass die Prämien steigen.»

Diesem Argument der Bürgerlichen widerspricht die SP-Gesundheitspolitikerin Jacqueline Fehr. Selbst Versicherungen sagten, dass bei einem Selbstbehalt von 7,5/15 Prozent unklar sei, ob es zu einem Prämienanstieg komme. Fehr sieht beim Modell 10/20 zudem ein Problem, wenn es zu einer Volksabstimmung kommt. «Warum sollten die Stimmbürger zustimmen, wenn die Vorlage keine Verbesserung bringt?», fragt sie rhetorisch. Dann sei sogar der Status Quo besser.

SP könnte Referendum mittragen

Fehr glaubt sogar, dass es schliesslich zu keiner Gesetzesänderung kommt: «Spätestens in der Schlussabstimmung oder an der Urne wird die Vorlage scheitern.» Denn bereits jetzt haben Ärztevereinigungen das Referendum angekündigt - unabhängig von der Höhe des Selbstbehalts. Je nach Ausgang der Einigung dürfte die SP beim Referendum mitziehen. «7,5/15 ist unser letztes Angebot», sagt Fehr. Ansonsten könne man eine Lösung nicht mittragen. Fehr will sich in diesem Fall dafür einsetzen, dass ihre Partei das Referendum unterstützt. «Sozialpolitische Reformen bringen die Bürgerlichen gegen den Willen der SP beim Volk nicht durch.»

Doch Bortoluzzi ist überzeugt, dass selbst ohne Unterstützung der Sozialdemokraten das Referendum gute Chancen hat: «Wenn die Ärzte geschlossen gegen die Vorlage sind, wird sie es an der Urne schwer haben.» Ein Scheitern der Gesetzesänderung fände er zwar enttäuschend, aber dürfte nicht überschätzt werden. «Es handelt sich um einen bescheidenen Schritt.» Dieser Meinung ist auch Fehr. Für sie bringt die Vorlage in erster Linie eine Beschleunigung. Die Sozialdemokraten verfolgen sowieso einen radikaleren Ansatz: Sie wollen eine Einheitskasse einführen und sammeln dafür Unterschriften. Laut einer Umfrage von letzter Woche unterstützen zwei Drittel der Bevölkerung dieses Anliegen.

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