LinksextremismusGewalt von linker Seite stieg markant
Der Staatsschutz ist wegen der Zunahme des gewalttätigen Linksextremismus besorgt. Aktionen wie der Bombenanschlag in Olten zeigten, wie vernetzt die Szene ist.
- von
- bb
«2010 stand vor allem der Linksextremismus im Fokus», sagte der Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), Markus Seiler, zur Entwicklung des Gewaltextremismus. Die Zahl der Vorfälle habe im Vergleich zum Vorjahr markant zugenommen, nämlich um 15 Prozent auf 254 Vorfälle. Dies sei insbesondere auf Aktionen gegen die Ausschaffungsinitiative der SVP und auf Solidaritätsaktionen zugunsten angeblich politischer Gefangener zurückzuführen.
Eine besondere Bedeutung kam laut dem Jahresbericht des Geheimdienstes der Verhaftung von drei Linksextremen im April 2010 in Langnau am Ablis zu. Sie werden beschuldigt, mit einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung einen Anschlag auf das im Bau befindliche Nanotechnologielabor des IBM-Konzerns in Rüschlikon geplant zu haben.
Briefbombe in Olten
Die drei unterhielten nach Erkenntnissen des Nachrichtendienstes enge Beziehungen zur anarchistischen Szene in Italien und teilweise auch zum Revolutionären Aufbau Zürich. Das Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen die beiden italienischen Staatsangehörigen und einen in Italien lebenden Schweizer ist nach wie vor im Gang.
Seiler verwies im gleichen Zusammenhang auf die Briefbombenanschläge auf die Schweizer Botschaften in Rom und in Athen sowie auf den Anschlag vom vergangenen 31. März bei Swissnuclear in Olten. Zu allen drei Anschlägen bekannte sich die italienische Anarchistengruppe Federazione Anarchica Informale (FAI). Sie verfügt gemäss Nachrichtendienst über bis zu 13 Unterorganisationen mit etwa 350 Mitgliedern. Mit Blick auf die Briefbombe in Olten, die an ein Kadermitglied des Atomkraftwerks Mühleberg adressiert war und die eine Mitarbeiterin von Swissnuclear erheblich verletzte, sagte Seiler, die Organisation strebe offenbar neu auch die Verletzung oder sogar den Tod von Menschen an.
1000 gewaltbereite Linksextreme
Tendenzen hin zu einem linksmotivierten Terrorismus stellte der Geheimdienst in der Schweiz im letzten Jahr allerdings nicht fest. Man gehe nach wie vor von rund 1000 gewaltbereiten Linksextremen aus, sagte Seiler. Von Bedeutung seien die Beziehungen der Schweizer Szene zum Ausland, bei denen dem Revolutionären Aufbau eine tragende Rolle zukomme.
Auf die Gefährdung von Vertretern der Strom- und Nuklearwirtschaft durch AKW-Gegner angesprochen, sagte Seiler, die Rolle des Nachrichtendienstes beschränke sich darauf, Hinweise entgegenzunehmen und auszuwerten. «Die Ausübung demokratischer Rechte darf uns nicht interessieren», unterstrich der NDB-Direktor und fügte hinzu: «Anti-AKW-Demos sind nicht unsere Sache.»
Seiler machte aber auch darauf aufmerksam, dass Ökoterrorismus in der Schweiz kein neues Phänomen sei. Er erinnerte an Marco Camenisch, der wegen der Ermordung eines Grenzwächters eine lange Freiheitsstrafe absitzt.