Pöbel-PlattformGewaltexzess nach Cyber-Mobbing
Auf iShareGossip kann jeder Dampf ablassen. Beleidigungen und Drohungen gehören zum guten Ton. Nun endete ein Online-Streit mit einer wüsten Attacke auf einen Jugendlichen.
- von
- owi

Wütender Mob verprügelt Jugendlichen. Aus einem Streit auf dem Hass-Portal iShareGossip wurde blutiger Ernst.
Auf der Website iShareGossip ist fast alles erlaubt. Die Betreiber brüsten sich damit, dass auch übelste Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen unzensiert veröffentlicht werden können. Die Existenz ihrer Seite wird mit der angeblich allzu ausgeprägten Kontrolle auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder SchülerVZ begründet.
Das Kalkül der Betreiber ist vermutlich, ein Forum für anonyme Entgleisungen anzubieten, damit Publikum anzulocken und so über Werbung Geld zu verdienen. Bislang allerdings mit wenig Erfolg – auf der Seite ist kein einziger Werbebanner zu sehen. Der wirtschaftliche Misserfolg erstaunt nicht: Welche seriöse Firma möchte Werbung auf einer Pöbel-Plattform schalten?
Nach Internet-Mobbing im Spital
Für Wirbel im Blätterwald sorgt iShareGossip derzeit trotzdem. In Berlin endete ein verbaler Disput auf der Mobbing-Seite in einer wüsten Attacke, in deren Verlauf ein 17-Jähriger von rund 20 Jugendlichen krankenhausreif geprügelt wurde. Der junge Mann hatte seine Freundin vor massiven Beleidigungen ihrer Mitschülerinnen schützen wollen. Die Freundin wurde zuvor im Internet gemobbt und als «Schlampe» bezeichnet. Er verabredete sich daher zu einem Schlichtungsgespräch. Beim Treffen gesellten sich allerdings immer mehr junge Männer zu den Mädchen - bis schliesslich ein ganzer Mob über das Opfer herfiel. Der 17-Jährige erlitt schwerste Kopfverletzungen.
Nach dem Gewaltexzess in Berlin sehen sich die anonymen Betreiber der Website in die Defensive gedrängt. Kritiker des Mobbing-Portals üben harsche Kritik: «Ist dies euer persönlicher Thrill, Minderjährige oder Schüler zum Sich-an-die-Gurgel-Gehen zu verleiten und weiter zu verdummen?», ist beispielsweise als Kommentar zu lesen. Da sich die Betreiber bis anhin zum Vorfall in Berlin nicht geäussert haben, könnte die Mobbing-Seite bald von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt werden. Folge: Die Hass-Seite wäre über Suchmaschinen nicht mehr auffindbar.
Offenbar läuft das Pöbel-Portal zusehends aus dem Ruder. Auf dem iShareGossip-Blog geben sich die Betreiber betroffen, da in letzter Zeit augenscheinlich gar Amokdrohungen über ihre Seite veröffentlicht wurden. «Bitte meldet solche Beiträge/Kommentare an unser Team», heisst es im neusten Blog-Eintrag.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Betreiber sind schon seit Januar 2011 im Visier der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Mindestens 50 Strafanzeigen sind bereits eingegangen – teils gegen die Betreiber, teils gegen Jugendliche, die beleidigende Kommentare verfasst haben sollen. Die Ermittlungen gestalten sich indes schwierig, da die Firma hinter iShareGossip dem Impressum zufolge im lettischen Riga domiziliert ist. Gemäss Spiegel-Online-Recherchen taucht unter der Adresse des Unternehmens ein Betreiber mehrerer Webseiten auf, die Kinder in eindeutigen sexuellen Posen zeigen. «Der Betreiber wusste von Anfang an, dass er sich auf dünnem Eis bewegt», sagte Oberstaatsanwalt Günter Wittig gegenüber Spiegel Online. Der mutmassliche Täter gehe konspirativ vor und habe alles auf Verschleierung angelegt.
Die Leute hinter iShareGossip bewegen sich in höchst zwielichtigem Umfeld – und es erscheint wahrscheinlich, dass ihrem Geschäftsmodell «Pöbelei, Drohung und Beleidigung» bald ein Riegel geschoben wird. Thomas Hoeren, Professor für Medienrecht, gibt sich gegenüber Spiegel Online überzeugt, dass die Seite «per se unlauter ist» und die Betreiber daher am Ende belangt werden können.
In Deutschland will die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) nach der brutalen Attacke entschiedener gegen Mobbing-Webseiten vorgehen. «Eine Gesellschaft, der Kinder- und Jugendschutz etwas bedeutet, kann und darf eine solche Entwicklung nicht sang- und klanglos hinnehmen», sagte Schröder «dem Wiesbadener Kurier». Im Februar war iShareGossip bereits einige Tage vom Netz genommen worden.
Update:
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat ihre Drohung wahr gemacht - iShareGossip kommt auf den Index. Die Mobbing-Seite wird somit künftig nicht mehr über Suchmaschinen erreichbar sein. Die Forderung vieler Eltern, die Seite ganz abzuschalten, ist damit natürlich noch nicht erfüllt.
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