Abzocker-InitiativeGewerkschaften wissen nicht, was sie wollen
Ein Ja, ein Nein und eine Stimmenthaltung: Die Gewerkschaften sind sich bei der Abzocker-Initiative uneins. Mit ein Grund ist, dass die Abstimmung für sie keine hohe Priorität hat.
- von
- Lukas Mäder
Das linke Ja zur Abzocker-Initiative von Thomas Minder erschien lange selbstverständlich. Anfang Dezember stimmten die SP-Delegierten mit 144 zu 2 Stimmen dem Volksbegehren, das am 3. März zur Abstimmung kommt, zu. Das Grüne Ja kam sogar einstimmig zustande. Ganz anders sieht es bei den Gewerkschaften aus. Dort sind alle Varianten der Stimmempfehlung vertreten: ein Ja, ein Nein sowie eine Stimmenthaltung.
Die Unia unterstützt die Initiative klar. «Sie ist ein starkes Signal gegen die Abzockerei», sagt Sprecher Hans Hartmann. Es sei ein riesiges Problem in der Schweiz, dass die tiefen und mittleren Einkommen stagnierten, während die hohen Löhne stiegen. Die Delegierten haben sich laut Hartmann Ende November klar für die Ja-Parole ausgesprochen. Eine eigene Abstimmungskampagne führt Unia jedoch nicht, da die Initiative kein eigenes Projekt ist.
Nein nach Diskussionen
Gegen die Abzocker vorgehen will auch der Dachverband Travail Suisse, wie Präsident Martin Flügel sagt. «Wir ziehen jedoch den Gegenvorschlag vor.» Dieser sei klarer und könne rascher umgesetzt werden. Zudem könnten übertriebene Bezüge zurückgefordert werden. Die Initiative verlange hingegen eine Stimmpflicht für Pensionskassen, die nicht im Interesse der Angestellten sei. Die Nein-Parole beschlossen hat der Vorstand von Traivail Suisse. Nicht ganz harmonisch, so Flügel: «Selbstverständlich hat es einige Diskussionen gegeben.» Offenbar sprach sich ein Teil des Vorstands für ein Ja aus.
Der Vorstand des Gewerkschaftsbundes SGB wiederum empfiehlt - als dritte Option - gar eine Stimmenthaltung. Es habe eine starke Minderheit für ein Ja gegeben, sagt Sprecher Thomas Zimmermann. Die Nein-Parole sei hingegen kein Thema gewesen. Sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag seien nicht gut, begründet Zimmermann die bizarre Abstimmungsempfehlung. «Die Risiken für die Arbeitnehmer sind höher als der Symbolgehalt der Initiative.» Der SGB erwartet höchstens eine leichte präventive Wirkung. Hingegen steige die Gefahr von Übernahmen durch Hedgefonds durch die einjährige Amtszeit des Verwaltungsrats.
Eigene Initiativen haben Priorität
Doch trotz der gegensätzlichen Empfehlungen für den Urnengang sind die Gräben zwischen den Gewerkschaften nicht besonders tief. Übereinstimmend stufen sie die Vorlage als nicht besonders wichtig ein. Der Gewerkschaftsbund und die Unia als grösstes Mitglied stellen vielmehr ihre eigene Initiative für ein Mindesteinkommen sowie die 1:12-Initiative ins Zentrum. «Das sind effizientere Instrumente, um gegen die Lohnschere vorzugehen», sagt Zimmermann.
Zumindest kampagnetechnisch stellt die Unia Zürich/Schaffhausen diese beiden Volksbegehren in eine Reihe mit der Abzocker-Initiative. Sie hat am Donnerstag eine Low-Budget-Kampagne gestartet, welche Emotionen in die Debatte bringen soll. Mit einem Bild des früheren Novartis-CEO Daniel Vasella wirbt die Sektion dafür, Abzocker zu stoppen - als Auftakt aller drei Abstimmungskämpfe.
Initianten reichen Stimmrechtsbeschwerde ein
Die Initianten der Abzocker-Initiative haben in Schaffhausen ihre angekündigte Stimmrechtsbeschwerde gegen das Abstimmungsbüchlein eingereicht. Sie bemängeln, dass der Bundesrat zu wenig neutral sei und verlangen eine Anpassung der Broschüre.
Die Stimmrechtsbeschwerde wurde am Freitag, 18. Januar 2013 bei der Schaffhauser Staatskanzlei eingereicht, wie Ständerat Thomas Minder (SH) eine Meldung der «Schaffhauser Nachrichten» vom Samstag bestätigte.
Der Bundesrat macht im Abstimmungsbüchlein klar, dass er die Initiative ablehnt. Damit verstösst er laut Minder gegen einen Artikel im Gesetz über die politischen Rechte. Dieser schreibt vor, dass der Bundesrat keine Abstimmungsempfehlung vertritt, die von jener des Parlaments abweicht.
Das Parlament hat sich für den indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen, zur Initiative selbst aber nie eine Stimmempfehlung verabschiedet.
Über die Stimmrechtsbeschwerde muss nun der Schaffhauser Regierungsrat innerhalb von zehn Tagen entscheiden. Lehnt der Regierungsrat die Beschwerde ab, können die Initianten sie ans Bundesgericht in Lausanne weiterziehen. (sda)