Zugespitzte WarnungGibts bei einem AHV-Nein bald keine Rente mehr?
Bundesrat Alain Berset warnt, dass es bei einem Nein zur Altersreform 2020 bald keine AHV mehr geben könnte – «Angstmacherei», finden Kritiker.
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Was passiert eigentlich mit unseren Renten, wenn die Stimmbürger am 24. September mehrheitlich ein Nein in die Urne legen? Gesundheitsminister Alain Berset warnt im «Tages-Anzeiger» die junge Generation: «Wenn ihr Nein stimmt, könnt ihr nicht sicher sein, dass ihr noch eine AHV-Rente bekommt.» Die Kassen würden sich langsam, aber unerbittlich leeren. Der AHV-Fonds wäre bereits Ende der 2020er-Jahre ausserstande, die Renten zu bezahlen.
Auch JCVP-Präsident Tino Schneider sagt im Interview mit 20 Minuten: «Lehnen wir die Reform ab, wird in einigen Jahren eine noch viel radikalere Lösung vonnöten sein.» Schlimmstenfalls habe die AHV kein Geld mehr – Rentenalter 67 und ein Umwandlungssatz weit unter 6 Prozent seien dann unausweichlich. In der Folge würden die Renten der Eltern-Generation sinken. «Dann müssten wir Kinder finanziell in die Versorgungsbresche springen.»
«Reine Angstmacherei»
Diese Szenarien sind laut Vorsorge-Experte Martin Hubatka «reine Angstmacherei». Bei einem Nein müsste eine neue Reform aufgegleist werden. «Am wahrscheinlichsten ist, dass es keinen 70-Franken-Zustupf in der AHV mehr gäbe, da viele Stimmbürger diesen Ausbau nicht für finanzierbar und notwendig halten. Die genauen Motive für den Stimmentscheid müsste man dann untersuchen.»
Massive Einschnitte seien jedoch nicht zu erwarten. «Das Ganze muss ja auch noch vom Volk angenommen werden.» In der Bevölkerung habe sich zwar die Einsicht durchgesetzt, dass es mit den Renten nicht so weitergehen könne. «Kommt man aber nach einem Nein gleich mit Rentenalter 67, gehen alle Linken auf die Barrikaden.» In einer neuen Reform werde man versuchen, das Notwendigste für die Erhaltung des Rentensystems abzusichern.
«Klar zugespitzt, aber legitim»
Für Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen, ist Bersets Warnung fehl am Platz. «Ich habe mich über die Aussage von Herrn Berset sehr gewundert, denn so verunsichert er nur die Jungen.» Seine eigene Reform gefährde die AHV viel eher, denn sie plane einen AHV-Ausbau. «Diesen können wir uns langfristig nicht leisten.» Was nach 2030 passiere, stehe immer noch in den Sternen. «Dann braucht es wegen des Ausbaus eine neue, umfangreichere Reform.»
Darf ein Bundesrat ein unrealistisches Szenario zeichnen? Für Politologe Louis Perron ist Bersets Aussage «klar zugespitzt, aber absolut legitim». Berset setze sich mit vollem Einsatz für das Anliegen ein. «Der Erfolg der Altersreform wird das Urteil über seine Karriere prägen.» Angesichts der zahlreichen gescheiterten Versuche der Altersreform sei kein Szenario undenkbar. «So stellte auch Frau Prof. Häusermann von der Universität Zürich zu Recht fest, dass eine Reform immer radikaler werde, je länger man damit warte.» Berset habe wohl den Jungen klarmachen wollen, dass die Reform auch sie betreffe. «Er will einen Graben zwischen Alt und Jung verhindern.» Die Grenze zieht Perron bei wissentlichen Falschaussagen. «Im Abstimmungskampf bewusst zu lügen, ginge nicht.»