Bad NewsGletscher werden noch lange leiden
Sogar ohne weitere Klimaerwärmung werden sich Gletscher in Zukunft massiv zurückziehen. Dies zeigen Modellrechnungen von ETH-Glaziologen.
- von
- Samuel Schlaefli

Das Eis schmilzt weiter – selbst wenn sich das Klima erholt. (ETHz)
Gletscher auf der ganzen Welt sind durch die Klimaerwärmung bedroht. Doch obschon von vielen bekannt ist, um wie viel sie sich in den letzten Jahrzehnten zurückgezogen haben, wissen die Forscher wenig darüber, wie sich das Volumen des Eises verändert hat.
Nun ist es Glaziologen der ETH Zürich gelungen, für zwölf Schweizer Gletscher aus vorhandenen Daten die Veränderung des Eisvolumens nachzuzeichnen. Dazu entwickelten sie ein mathematisches Modell, welches das Volumen und die Länge eines Gletschers in Abhängigkeit von Temperatur- und Niederschlagsänderungen darstellt. Damit können sie nicht nur die Veränderungen des Gletschervolumens in der Vergangenheit rekonstruieren, sondern auch deren Verhalten in der Zukunft simulieren.
Das Resultat ist paradox: Denn eigentlich müssten grosse Eiszungen wie der Aletsch- oder Gornergletscher aufgrund des heutigen Klimas bereits viel kleiner sein, als sie es tatsächlich sind. Die Gletscherforscher fanden heraus, dass die Reaktion von Gletschern dem Klima um Jahrzehnte bis Jahrhunderte hinterherhinkt.
Zum Beispiel braucht der Aletschgletscher rund 130 Jahre, bis er sich an eine Klimaveränderung angepasst hat. Dies hat für die Zukunft weit reichende Konsequenzen, wie ETH-Glaziologe Martin Lüthi voraussagt: «Selbst wenn sich das Klima ab heute nicht mehr weiter erwärmt, wäre der Aletschgletscher in hundert Jahren um weitere vier Kilometer kürzer als heute und er hätte einen Drittel seines Volumens eingebüsst.»
Da es jedoch wahrscheinlicher ist, dass die Erwärmung weiter voranschreitet, werden die Gletscher sogar noch mehr zurückgehen. Am stärksten hinken die drei grössten und flachsten Gletscher der Schweiz dem Klima hinterher: der Aletsch-, Gorner- und Unteraargletscher. Und weil in ihnen ein Drittel des gesamten Eises der Schweiz liegt, befürchtet Lüthi schwerwiegende Folgen: «Langfristig wird der Gletscherschwund grosse Auswirkungen auf den gesamten
Wasserhaushalt der Schweiz haben.»