Wilderswil BE: Gourmet-Tempel serviert Brunnenwasser für 5,50 Fr

Aktualisiert

Wilderswil BEGourmet-Tempel serviert Brunnenwasser für 5,50 Fr

16 Gault Millau-Punkte und ein Michelin-Stern: Ein Wilderswiler Restaurant serviert Brunnenwasser für 5,50 Franken. Dorfbewohner sind empört.

Mira Weingartner
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Mira Weingartner
Am Wilderswiler Brunnen hinter dem Restaurant Alpenblick wird Trinkwasser angezapft.

Am Wilderswiler Brunnen hinter dem Restaurant Alpenblick wird Trinkwasser angezapft.

Das Wasser des Gourmet-Restaurants Alpenblick in Wilderswil stammt vom öffentlichen Dorfbrunnen. «In Karaffen abgefüllt verkauft der Wirt das Wasser an seine Gäste», berichtet ein Leser-Reporter gegenüber 20 Minuten. Kostenpunkt: 5.50 Franken. «Ich bin schlicht schockiert», so der Wilderswiler – im 2500-Seelen-Dorf gebe diese Aktion zu reden.

Dass Gastrobetriebe Hahnenwasser am Dorfbrunnen anzapfen, wundert auch die lokale Gemeindeverwaltung. Dies sei nicht bekannt. «Wir kennen dies eher von älteren Menschen oder von Leuten, die in den öffentlichen Brunnen ihre Giesskannen zum Blumengiessen auffüllen», sagt Christian Hartmann von der Wilderswiler Gemeindeverwaltung. Dies meist um Geld zu sparen. «Unverständlich», findet der Gemeindeschreiber – 1000 Liter Trinkwasser würden doch lediglich einen Franken kosten.

1-A Trinkwasser

Aus hygienischer Sicht sei das Wilderswiler Brunnenwasser aber durchaus trinkbar: «Hahnen- und Brunnenwasser kommen aus dem selben System», so Hans-Peter Hofer, Leiter der Gemeindebetriebe. Er betont: «Mit den vielen natürlichen Quellen haben wir hier überall 1A Trinkwasserqualität.» Zusätzlich würden die zwölf Brunnen im Dorf mindestens einmal pro Monat unter die Lupe genommen. Auch der Kanton halte ein Auge auf die Hygiene der öffentlichen Wasserspender.

Sektionspräsidentin Sonja Zumbrunn von GastroInterlaken-Oberhasli würde dennoch auf eine solche Aktion in ihrem Restaurant verzichten: «Meine Gäste würden wohl vermuten, dass ich so Geld sparen möchte.» Lieber verkauft die Wirtin aus Brienz Henniez oder Adelbodner Mineral: «Somit verdiene ich auch mehr – ich habe ja immerhin Personalkosten zu begleichen.»

«Weniger nervös als Leitungswasser»

Wirt Richard Stöckli will mit dem Brunnengetränk weder den niedrigen Wasserzins noch sonstige Vorschriften umgehen: «Das Wasser aus dem Brunnen ist zum Trinken viel genussvoller als jenes aus der Leitung», so der Gastronom. Die Wassertemperatur von rund 15 Grad sei ideal, zudem habe sich die Flüssigkeit zuvor nicht durch die Wasserleitungen gequält. «Das Wasser ist so weniger nervös und die Konsistenz erscheint viel weicher», so Gourmetkoch Stöckli.

Zudem erhalte er auch eine Wilderswiler Tradition lebendig: Im Oberländer Dorf mit den vielen historischen Brunnen habe man sich schon seit je her an den Dorfbrunnen bedient. Auch die Wirtefamilie, die auf hochstehende Schweizer Küche setzt, hole privat ihr Trinkwasser von draussen. «Diesen qualitativen Mehrwert wollen wir auch unseren Gästen bieten», so der Gastgeber. Lokale wie internationale Gäste seien vom frischen Quellwasser begeistert. Das Getränk werde der Kundschaft nicht verrechnet – er verlange bloss 5.50 Franken für den Aufwand.

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