Greenpeace: Tschernobyl hat 93000 getötet
Greenpeace erwartet weltweit bis zu 93 000 Tote als Folge des schweren Reaktorunglücks von Tschernobyl vor 20 Jahren. Die Umweltorganisation zieht mit einer eigenen Studie die UNO-Zahlen zum Ausmass der Katastrophe in Zweifel.
Es sei eine «grobe Vereinfachung» der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), in ihrem Bericht vom September 2005 von rund 4000 Todesopfern des Reaktorunfalls in der Ukraine am 26. April 1986 auszugehen, sagte Greenpeace-Atomexperte Thomas Breuer am Dienstag in Berlin.
Greenpeace habe daher eine eigene Studie zu den gesundheitlichen Folgen von Tschernobyl in Auftrag gegeben. Seine Organsation halte die neue Schätzung der russischen Akademie der Wissenschaften für «sehr realistisch», nach der in Folge des Tschernobyl-Unfalls 93 000 Menschen an Krebs gestorben seien oder in Zukunft stürben, sagte Breuer weiter.
Der Greenpeace-Atomexperte wies darauf hin, dass zu den strahlungsbedingten Krebsfällen die Zunahme anderer strahlenbedingter, möglicherweise tödlicher Leiden wie Atemwegs-und Blutgefässerkrankungen, Immunschäche oder Infektionen hinzukämen.
Das wahre Ausmass des Unfalls werde «wohl nie richtig verstanden werden», sagte Breuer weiter. Der IAEA warf er eine «bewusste Verharmlosung» vor, weil in ihrer Satzung als Ziel die Förderung der Atomenergie festgelegt sei.
IAEA reformieren
Greenpeace fordere daher einen Umbau der IAEA: Statt Atomkraftnutzung zu fördern, solle die UNO-Organisation sich dann für einen weltweiten Atomausstieg einsetzen.
Die aktuelle Greenpeace-Studie ist nach Angaben der Organistation eine Zusammenstellung diverser Studien insbesondere aus dem russischen Sprachraum, die zum Teil bislang unveröffentlicht waren.
In dem IAEA-Bericht von 2005 hatte es geheissen, Wissenschaftler rechneten mit rund 4000 Toten und mit geringeren Umweltschäden als zunächst befürchtet. Die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) hatte dies Anfang April ebenfalls bestritten.
Tatsächlich seien zwischen 50 000 und 100 000 «Liquidatoren» gestorben, 540 000 bis 900 000 der an den Aufräumungsarbeiten Beteiligten seien zu Invaliden geworden, hiess es seitens der IPPNW.
Allein in der Region um Tschernobyl seien zehntausende Kinder mit genetischen Schäden geboren worden. Wegen Erbgutveränderungen seien die Folgen für die kommenden Generationen noch nicht absehbar.
(sda)