«Gerade jetzt genug Gründe»Grossrätin rechtfertigt ihre Teilnahme an 1.-Mai-Kundgebung
Rund 500 Personen haben am Freitag in Basel an einer unbewilligten 1. Mai-Kundgebung teilgenommen. Pikant: Unter den Demonstranten war auch eine Grossrätin.
- von
- Lukas Hausendorf
Darum gehts
- An einer unbewilligten 1.-Mai-Kundgebung in Basel sind am Freitag über 500 Personen auf die Strasse gegangen.
- Die Polizei liess die Demonstranten gewähren, verzeigte aber 45 Personen unter anderem Verstössen gegen die Covid-19-Verordnung.
- Die Kundgebung wurde auch von Linken kritisiert, die ihre offiziellen Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie in den virtuellen Raum verlegt hatten.
- An der Demo war auch BastA!-Grossrätin Tonja Zürcher. Bürgerliche Jungparteien fordern nun ihren Rücktritt.
Mehrere hundert Personen haben in der Basler Innenstadt am Freitag an einer 1.-Mai-Kundgebung teilgenommen. Die unbewilligte Demonstration wurde von der Polizei «aus Gründen der Verhältnismässigkeit» toleriert. Zur Demonstration aufgerufen hatte das revolutionäre 1. Mai-Bündnis.
Die Polizei habe «aus Gründen der Verhältnismässigkeit» darauf verzichtet, die Kundgebung aufzulösen, sagte ein Sprecher des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements auf Anfrage. Man habe eine Eskalationen und die Aufsplitterung der Kundgebung in kleine Gruppen vermeiden wollen.
Basler Politiker aus dem rechten und bürgerlichen Spektrum gaben per Twitter und in Medienmitteilungen ihrem Unmut über die Kundgebung Ausdruck. Die Basler SVP zeigte sich empört, dass die Demonstration trotz des schweizweit geltenden Versammlungsverbots von den Behörden nicht aufgelöst worden sei. Und der Basler CVP-Präsident Balz Herter forderte per Twitter Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) auf, einzugreifen.
Grossrätin verteidigt ihre Teilnahme
An der Demonstration teilgenommen hatte auch Grossrätin Tonja Zürcher (BastA!), die dafür nun viel Kritik einstecken muss. Am Samstagmorgen forderte ein Bündnis von bürgerlichen Jungparteien in einem Communiqué gar ihren sofortigen Rücktritt aus dem Kantonsparlament.
«Das werde ich nicht machen», stellt Zürcher klar. Sie stehe dazu, dass sie an der Demonstration teilgenommen habe. «Es gibt gerade jetzt genug Gründe auf die Strasse zu gehen», sagt sie. Die Corona-Krise bringe viele in eine schwierige Situation, Sans Papiers stünden vor dem Nichts.
Für ihre Teilnahme habe sie auch viel Zuspruch erfahren, sagt Zürcher. Dennoch sei sie überrascht, wie heftig sie nun auch aus linken Kreisen kritisiert worden sei. Gewerkschaften und SP haben ihre 1. Mai-Veranstaltungen allesamt ins Internet verlegt. «Es ist toll, was alles stattgefunden hat online», sagt Zürcher. «Das wird aber nur in den eigenen Kreisen gesehen. Die Strasse hat einen anderen Effekt.»
Die Kritisierte erhält indes Rückendeckung von ihrer Partei. Die Parteileitung sieht keinen Anlass, das Verhalten von Frau Zürcher in Bezug auf die 1. Mai-Kundgebung zu kritisieren», teilt BastA!-Co-Präsidentin Heidi Mück auf Anfrage mit. Zürcher habe sich an die Abstanstregeln gehalten und eine Gesichtsmaske getragen.
Tag der Arbeit
Der 1. Mai ist in vielen Ländern ein gesetzlicher Feiertag, so auch in vielen Schweizer Kantonen. Er gilt als höchster Feiertag der Gewerkschaften. Seinen Ursprung hat er in der nordamerikansichen Arbeiterbewegung, die am 1. Mai 1886 zum Generalstreik zur Durchsetzung des Achtstundentags aufrief. In Chicago führte der mehrtägige Streik am 3. Mai zu den Haymarket-Aufständen, bei denen es gemäss Wikipedia zu gewaltsamen Zusammenstössen von Arbeitern mit der Polizei und einem Bombenanschlag kam. Es starben sieben Polizisten und über ein Dutzend Demonstanten. 1889 wurde schliesslich zum Gedenken an die Opfer der Haymarket Riot der 1. Mai als «Kampftag der Arbeiterbewegung» ausgerufen.