Treiber der PandemieGrossteil der Corona-Ansteckungen geht von Symptomlosen aus
Bei Corona gilt: Auch wer meint, kerngesund zu sein, kann hochgradig ansteckend sein. Laut neuer Studie sind vor allem Infizierte ohne Symptome für die weitere Ausbreitung verantwortlich.
- von
- Fee Anabelle Riebeling
Darum gehts
Auch wer sich pudelwohl fühlt, kann mit dem Coronavirus infiziert sein und dieses weitergeben.
Laut einer Studie aus den USA machen Symptomlose dies auch.
Demnach sind symptomlose Träger von Sars-CoV-2 für 59 Prozent der Infektionen verantwortlich.
Keine Angst, ich bin kerngesund – diese Aussage ist in Covid-19-Zeiten nichts wert. Denn ansteckend ist man schon, bevor Symptome auftauchen. Einige Infizierte entwickeln gar nie irgendwelche Krankheitsanzeichen. Für die Betroffenen ist das gut, allerdings wird der Kampf gegen das Virus dadurch deutlich schwieriger. Denn anders als zu Beginn der Pandemie gehofft, haben diese Patienten eine ähnlich hohe Viruslast wie symptomatische, wie eine Studie aus Südkorea im August 2020 zeigte. Allerdings gibt es auch Untersuchungen, die ihnen eine 42 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit für die Weitergabe des Erregers attestieren.
Angesichts der uneindeutigen Erkenntnisse empfahl der Berliner Virologe Christian Drosten im Gespräch mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (bezahlpflichtiger Inhalt) sich sicherheitshalber konsequent vorsichtig zu verhalten: «Am besten wäre es, wir täten alle so, als wären wir infiziert und wollten andere vor Ansteckung schützen.» Oder anders ausgedrückt: «Wir tun so, als wäre der andere infiziert und wir wollten uns selbst schützen. Daraus ergibt sich unser Verhalten.»
Neue Studie gibt Drosten recht
Forschende aus den USA belegen nun, wie wichtig Drostens Rat ist. Wie sie im Fachjournal «Jama Open Network» schreiben, gehen fast 60 Prozent aller Ansteckungen von asymptomatischen Corona-Infizierten aus.
Das Team um Jay C. Butler, stellvertretender Direktor der Zentren für Infektionskrankheiten bei der US-Gesundheitsbehörde CDC, arbeitete mit Computermodellen, um verschiedene Szenarien für die jeweiligen infektiösen Zeiträume von vorsymptomatischen, niemals symptomatischen und symptomatischen Menschen zu errechnen. Eine Meta-Studie zuvor hatte ergeben, dass die Inkubationszeit bei Covid-19 am häufigsten bei fünf Tagen liegt. Die grösste Infektiosität lag dabei plus/minus zwei Tage um diesen fünften Tag nach der Ansteckung – also zwischen dem dritten und siebten Tag.
Asymptomatische Verläufe
Wie häufig Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 asymptomatisch verlaufen, ist nach wie vor offen. Denn in der Regel lassen sich nur jene Menschen testen, die sich schlecht fühlen. Auch Studien, die sich mit den Verläufen ohne jegliche Krankheitsanzeichen befasst haben, kommen zu keinem eindeutigen Schluss. Drei Beispiele:
Als erste Untersuchung beschäftigte sich die sogenannte Heinsbergstudie vom Team um den Virologen Hendrik Streeck mit der Frage nach der Häufigkeit der unbemerkten Verläufe. Demnach verläuft mehr als jede fünfte Infektion (22,2 Prozent) asymptomatisch.
Forschende der Universität Bern kamen zu dem Ergebnis, dass ungefähr jede dritte bis vierte Infektion unbemerkt verläuft. Allerdings schränkte die Gruppe um Nicola Low ein, dass der genaue Anteil sich nur schwer ermitteln liesse, da Studien mit gezielten Infektionen ethisch nicht vertretbar seien.
Eine australische Untersuchung sieht den Wert der symptomlosen Infektionen dagegen bei 17 Prozent.
Deutliche Zahlen und klare Empfehlungen
Ergebnis: 59 Prozent der Infektionen konnten den asymptomatischen Personen zugeordnet werden, wobei 35 Prozent von sogenannt präsymptomatischen Personen ausgingen und 24 Prozent von Personen, die nie Symptome entwickelten.
Diese Zahlen könnten Auswirkungen auf die Massnahmen haben, mit denen die Ausbreitung von Sars-CoV-2 bekämpft werden soll, so Butler und seine Kollegen: «Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass die Identifizierung und Isolierung von Personen mit symptomatischem Covid-19 allein die weitere Ausbreitung von Sars-CoV-2 nicht kontrollieren wird.»
Stattdessen müsse weiter darauf geachtet werden, dass auch die Menschen ohne Symptome die bekannten Massnahmen wie Masken tragen und Abstand halten ernst nehmen. Weiter empfehlen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, verstärkt Personen zu testen, die sich nicht krank fühlen – etwa wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten oder viel mit anderen Menschen zu tun haben – zum Beispiel Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen oder Schulen.
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Hier findest du Hilfe:
BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00
Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona
Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Hotline bei Angststörungen und Panik, 0848 801 109
Pro Juventute, Tel. 147
Dargebotene Hand, Tel. 143
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