Rabatt-Website: Groupon kann Ihre Existenz gefährden

Aktualisiert

Rabatt-WebsiteGroupon kann Ihre Existenz gefährden

Das Geschäft mit den Online-Gutscheinen ist riskant für kleine Firmen. In der Schweiz gibt es die ersten Opfer. Doch Groupon sieht kein Problem.

Daniel Schurter
von
Daniel Schurter
Viele neue Kunden sind gut für die Groupon-Partner. Sie können aber auch zum Problem werden. (Bild: Keystone)

Viele neue Kunden sind gut für die Groupon-Partner. Sie können aber auch zum Problem werden. (Bild: Keystone)

Schöne neue Marketingwelt: Dank Groupon.ch haben Schweizer Firmen Zugang zu neuer, junger Kundschaft und locken sie mit attraktiven Sonderangeboten. Aus Schnäppchenjägern werden treue Kunden: So weit die Theorie. Doch das tägliche Geschäft mit den Online-Gutscheinen ist nicht nur lukrativ, es kann auch gefährlich sein. Zumindest aus Sicht der Unternehmen, die Groupon.ch als Werbeplattform nutzen. 20 Minuten Online weiss von mehreren kleinen Firmen, die wegen Groupon in Teufels Küche geraten sind. Weil sehr viele Gutscheine verkauft wurden, kämpfen sie mit Turbulenzen. Für mindestens einen Unternehmer endete die Sache böse, wie auch das Konsumentenmagazin K-Tipp letzte Woche publik machte.

So funktioniert das Geschäft

«Kleine Firmen können kaputtgehen», bestätigt ein Insider, der die Gutschein-Branche kennt (Name der Redaktion bekannt). Das Problem sei das Geschäftsmodell, das Groupon und Co. zugrunde liege. «Die Firmen, die mitmachen, profitieren zu wenig.»

Das kann man von Groupon selbst nicht behaupten. Der Schweizer Ableger des US-Gutschein-Dienstes kassiert für seine Vermittlertätigkeit eine stolze Summe. Gegenüber 20 Minuten Online bestätigt die Groupon Schweiz GmbH, dass 50 Prozent des Erlöses behalten werden. Groupon verdient aber auch an jedem nicht eingelösten Gutschein – und behält den ganzen Betrag. Gemäss Unternehmensangaben zählt Groupon Schweiz 150 000 registrierte Mitglieder. Die Einsparungen für die Kundschaft sollen bereits im Millionenbereich liegen.

Groupon Schweiz arbeitet laut eigenen Angaben mit rund 1000 Unternehmen zusammen. Diese werden als «Partner» bezeichnet und verpflichten sich in einer schriftlichen Kooperationsvereinbarung zu einer exklusiven Zusammenarbeit.

Anbieter schauen in die Röhre

Ein kleines Beispiel illustriert, warum das Couponing so interessant ist für Verbraucher: Eine Kosmetikfirma verkauft über Groupon.ch Gutscheine à 30 Franken für eine 60-minütige Schönheitsbehandlung. Diese kosten regulär im Salon 85 Franken. Durch den Kauf eines Gutscheins auf der Internet-Plattform profitieren von einem Rabatt von 65 Prozent und sparen 55 Franken ein. Das lassen sich 300 Schnäppchenjäger nicht entgehen und willigen in den Deal ein. Die verkauften Gutscheine spülen der Kosmetikfirma aber relativ wenig Geld in die Kasse. Von jeder Behandlung bleiben nur 15 Franken - die restlichen 15 Franken gehen an Groupon. Wenn alle Gutscheine eingelöst werden, nimmt die Kosmetikfirma 4500 Franken ein – gleichzeitig ist das Personal während 300 Stunden besetzt und kann keine anderen, voll zahlenden Kunden bedienen.

Das Geschäft mit der Schönheit scheint besonders betroffen. «Wir arbeiten nur noch zu Dumping-Preisen», beklagt sich die Inhaberin eines Kosmetiksalons. Der Druck sei enorm. Sie schufte bis zu 13 Stunden pro Tag – doch nach Abzug der Materialkosten komme sie auf einen Stundenansatz von knapp 15 Franken. Wegen der zahlreichen Groupon-Kunden leide zudem das traditionelle Geschäft. «Wir sind öfters ausgebucht und müssen Stammkunden vertrösten.» Die Firmeninhaberin zieht ein vernichtendes Fazit: Groupon mache die ganze Kosmetikbranche kaputt. Es bleibe zu wenig zum Leben, und zu viel zum Sterben.

Groupon nimmt Stellung

20 Minuten Online hat Groupon Schweiz mit dem Vorwurf konfrontiert, es handle sich für viele Firmen um ein Verlustgeschäft. Das sei «eine punktuelle Betrachtung», antwortet die Mediensprecherin. «Groupon ist ein neues Marketing-Tool, mit dem unsere Partner ihre Neukunden innerhalb von 24 Stunden zu einem kalkulierbaren Preis pro Neukunde akquirieren.» Langfristig würden die gewonnenen Neukunden zu Stammkunden. Dies treffe «je nach Qualität des Partners» auf bis zu 80 Prozent der Groupon-Kunden zu.

Groupon Schweiz zählt 15 Angestellte – die meisten sind im Verkauf beschäftigt. Das heisst, sie versuchen übers Telefon und im persönlichen Gespräch neue «Partner» zu gewinnen.

Er habe sich vom Groupon-Vertreter überzeugen lassen, sagt der Inhaber eines Kosmetikstudios. «Von der Beratung her tönte es sehr gut.» Dank des Online-Dienstes habe er auf viele neue Kunden gehofft – und sie auch bekommen. Sein zweites Sonderangebot, das aufgeschaltet wurde, hätten über 300 Personen gekauft. «Ich musste das Inserat sofort stoppen», sagt der Firmeninhaber. Nun sei er die nächsten Monate damit beschäftigt, die neuen Kunden «abzuarbeiten» – richtig Geld verdiene er damit aber nicht.

«Kein Risiko»

Wird in den Beratungsgesprächen zu wenig auf die Risiken hingewiesen? Die Groupon-Sprecherin sieht das erwartungsgemäss anders. Es handle sich nicht um ein Risiko, viele Neukunden zu erzielen. «Grundsätzlich freuen sich die Partner sehr über die schnelle und effektive Neukundenakquise, deshalb wollten ca. 90 Prozent der Partner mit dem identischen oder einem neuen Angebot auf Groupon.ch erneut präsentiert werden.» Die Zahl der verkauften Gutscheine werde vorgängig nicht limitiert, «da wir und die Partner möglichst viele Neukunden gewinnen möchten».

Sollte es bei der Abwicklung der Deals zu Problemen kommen, werde den Firmen geholfen. «In ausgewählten Fällen, wenn die Verkaufszahlen unsere Erwartungen weit übersteigen, unterstützen wir die Partner.» So habe Groupon etwa in anderen Ländern Personal gestellt, um die telefonische Reservierung zu unterstützen. Ferner sei in Absprache mit den Firmen die Laufzeit der Gutscheine verlängert worden, damit sich die Neukunden über einen längeren Zeitraum verteilen. «Hierüber haben wir die User dann selbstverständlich benachrichtigt.»

Vorbild USA

«Man gibt etwas zum halben Preis oder noch günstiger – und muss davon noch einmal die Hälfte abgeben», fasst der Besitzer eines Wellness-Hotels zusammen. Er habe sich entschlossen, nur einmal pro Jahr bei Groupon mitzumachen. Seine Überlegung: Er wolle nicht zu häufig mit der Schnäppchenjäger-Website in Verbindung gebracht werden. «Ich bin ja nicht der billige Jakob, sondern biete Dienstleistungen im Luxusbereich an.» Was die Nachhaltigkeit des Groupon-Geschäftsmodells betrifft, ist der Hotelier kritisch. Er gehe nicht von einer grossen Kundenbindung aus. «Die Schnäppchenjäger ziehen weiter.»

Die Groupon-Sprecherin hält an ihrer Position fest. Die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells werde sicherlich auch durch die sechsmonatige Wartezeit deutlich, die neue Groupon-Partnerfirmen in den USA zu gewärtigen hätten. «Dort ist die Anzahl der Partner, die geschaltet werden möchten, so hoch, dass wir mittlerweile auf die User zugeschnittene Deals anbieten.» Dies wäre auch der nächste Schritt in der Schweiz, wenn sich Groupon weiter etabliert habe.

Feedback erwünscht

Welche Erfahrungen haben Sie mit Groupon oder anderen Schnäppchen-Portalen gemacht? Mail an: digital@20minuten.ch

Nichts verpassen

Das Ressort Digital ist auch auf Twitter vertreten. Folgen Sie uns und entdecken Sie neben unseren Tweets die interessantesten Tech-News anderer Websites.

Deine Meinung