Rückschlag für BushGuantánamo: Gericht verfügt fünf Freilassungen
Erstmals hat ein US-Bundesrichter die Freilassung von Insassen des umstrittenen Gefangenenlagers Guantánamo angeordnet. Die Entscheidung ist ein Rückschlag für die Administration Bush.
Die fünf Algerier dürften nicht unbegrenzt als «feindliche Kombattanten» festgehalten werden und sollten sofort freigelassen werden, erklärte Richter Richard Leon am Donnerstag. Die Entscheidung markiert einen Rückschlag für die Praxis der Regierung von US-Präsident George W. Bush, Terrorverdächtige ohne Anklage festzuhalten. Der künftige Präsident Barack Obama hat angekündigt, Guantánamo nach seinem Amtsantritt im Januar zu schliessen.
Die fünf Männer werden seit fast sieben Jahren ohne Anklage in dem Lager auf Kuba festgehalten. Die US-Regierung wirft ihnen vor, sie hätten vorgehabt, nach Afghanistan zu reisen, um sich dem Terrornetzwerk Al Kaida anzuschliessen. Ein sechster Algerier, der zusammen mit den fünf anderen festgenommen worden war, bleibt hingegen weiter in Haft, wie Richter Leon erklärte.
Die von der Regierung vorgelegten Beweise für eine Verbindung der fünf Algerier zu Al Kaida seien nicht zuverlässig, da sie nur von einer einzigen Quelle stammten, deren Identität nicht preisgegeben werde, sagte Leon. Im Falle des sechsten Mannes dagegen gebe es ausreichende Hinweise darauf, dass dieser engen Kontakt zu einem Al-Kaida-Agenten gehabt und geplant habe, sich selbst der Organisation anzuschliessen.
Anfechtung könnte Freilassung um zwei Jahre verzögern
Leon rief die Regierung auf, von einer Anfechtung des Urteils abzusehen. Diese könnte die Freilassung der fünf um bis zu zwei weitere Jahre verzögern. Die Männer seien bereits sieben Jahre lang zu Unrecht festgehalten worden und hätten es nun verdient, nach Hause zurückzukehren. Das Justizministerium hat nach eigenen Angaben vorerst noch nicht über eine mögliche Anfechtung entschieden.
Die Regierung müsse nicht befürchten, dass nun hunderte weitere Freilassungen folgen würden, sagte der Richter weiter: «Dies ist ein Sonderfall.» Das Freilassungsurteil ist das erste, seit der Supreme Court im Juni vergangenen Jahres Zivilgerichten erlaubt hat, Klagen von Terrorverdächtigen gegen ihre Haft ohne Anklage anzuhören.
Bosnien will Männer aufnehmen
Die bosnische Regierung hat sich schon bereit erklärt, die fünf Männer aufzunehmen, die vor ihrer Festnahme im Oktober 2001 von Algerien nach Bosnien ausgewandert waren. Die USA hatten sie ursprünglich unter dem Verdacht festgenommen, einen Anschlag auf die US-Botschaft in Sarajewo geplant zu haben. Diesen Vorwurf liess das Justizministerium zwar im vergangenen Monat fallen, erklärte aber, die Männer hätten sich Al Kaida anschliessen wollen und müssten deshalb in Haft bleiben. Die Anwälte der fünf, die im Januar 2002 nach Guantánamo verlegt worden waren, sagten hingegen, ihre Mandanten hätten niemals den bewaffneten Kampf aufnehmen wollen.
Vor US-Gerichten sind derzeit noch Klagen von mehr als 200 weiteren Guantánamo-Häftlingen anhängig. In dem Lager, das Obama bald schliessen will, werden noch rund 250 Gefangene festgehalten. (dapd)