Beschiss bei der Schach-WM: Gurus im Publikum und Nachrichten per Joghurt

Aktualisiert

Beschiss bei der Schach-WMGurus im Publikum und Nachrichten per Joghurt

Zurzeit findet in Bonn die Schach-WM statt. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Doch nicht Terrorgefahr ist das Problem – es sind die Schachspieler. Einige von ihnen sind nämlich nicht nur Meister am Brett, sondern auch im Betrügen.

Wladimir Kramnik sitzt ruhig gegenüber von Viswanathan Anand. Der Russe und der Inder kämpfen um die Krone des Schachweltmeisters. In dieser fünften Partie wird Anand zum zweiten Mal gewinnen und den Spielstand auf 3,5:1,5 Punkten erhöhen – trotzdem bleibt Kramnik ruhig. Das war nicht immer so.

Das «Toilettengate»

Im Jahre 2006 spielte Kramnik ebenfalls eine WM-Partie gegen Veselin Topalov aus Bulgarien. Immer wieder verliess er das Brett, um sich in den angrenzenden Ruhe- und Waschraum zurückzuziehen. Bis zu 50-mal in zwei Partien. Dieses Verhalten schürte Verdacht, war doch der Waschraum als einziges Zimmer nicht videoüberwacht.

Kramnik gewann die Weltmeisterschaft, wurde später allerdings mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe mit Hilfe eines Computers mit einem Netzwerkkabel in der Decke das Schachprogramm «Fritz» zu Hilfe genommen. Tatsächlich stimmten seine Züge mit hoher Prozentzahl mit den Vorschlägen des Schachprogramms überein.

Nachrichten per Joghurt und Gurus im Publikum

Skurrile Verdächtigungen gab es auch während den WM-Partien zwischen dem in die Schweiz geflüchteten Viktor Kortschnoi und dem Russen Anatoli Karpow im Jahre 1978. Karpow war der Liebling der russischen Politelite und ein strammer Parteisoldat – Kortschnoi galt als Verräter. Schnell fühlte sich der Geflüchtete gestört durch Blicke aus dem Publikum – ein Parapsychologe soll ihn irritiert haben. Um Karpov zu beeinflussen, setzte Kortschnoi seinerseits darauf zwei indische Gurus ins Publikum - spirituelles Wettrüsten zur Zeit des Kalten Krieges. Weiter soll Karpov Tipps per Joghurt erhalten haben, die man ihm reichte. Die verschiedenen Geschmacksrichtungen sollen unterschiedliche Spielweisen bedeutet haben.

Neue Technologien, neue Betrugsmöglichkeiten

Heute sind die besten Schachprogramme auch von einem Weltmeister kaum noch zu besiegen. Im Training sind Computer nicht mehr wegzudenken. Wie verführerisch ist die Vorstellung, auch bei Turnieren auf Computerhilfe zurückzugreifen. Der deutsche Kreisligaspieler Clemens Allwermann konnte ihr 1998 bei einem Turnier in Böblingen nicht widerstehen. Plötzlich kombinierte er wie ein Weltmeister – oder halt eben wie ein Computerprogramm. Wie Allwermann die besten Züge zugespielt wurden, blieb indes unklar. Es wird in Richtung Knopf im Ohr und Funkgerät im Hosensack spekuliert – Allwermann arbeitete in der Unterhaltungselektronik-Branche.

Betrug? Nicht in diesem Jahr

Ein Tuch trennt Kramnik und Anand vom Publikum. Es wird so beleuchtet, dass Publikumsbewegungen keinen Schatten werfen – Schattenspiele unmöglich. Bevor die Schachspieler die Bühne betreten, schreiten sie unter Metalldetektoren durch. Handyverbot gilt sowieso bei allen ernstzunehmenden Turnieren: Bei Anruf verloren – so die Regel. Viel wichtiger als alle Sicherheitsmassnahmen ist allerdings die gegenseitige Wertschätzung der Kandidaten. So liess Kramnik im Vorfeld verlauten: «Es ist ein angenehmes Gefühl zu wissen, dass dieses Match allein am Schachbrett entschieden wird».

(tog)

Deine Meinung