TerroranschlägeHat Spanien die Warnzeichen ignoriert?
Spanien steht bei Jihadisten als Angriffsziel hoch im Kurs. Dafür gibt es mehrere Gründe.
- von
- mlr
Mehr als 13 Jahre ist Spanien von islamistischem Terror verschont geblieben. Während europäische Metropolen wie London, Paris, Nizza oder Berlin in den vergangenen Monaten und Jahren von islamistisch motivierten Terror-Attacken erschüttert wurden, waren den Spaniern noch immer die Madrider U-Bahn-Bombenanschläge vom 11. März 2004 im Gedächtnis. Damals starben 192 Menschen, mehr als 2000 wurden verletzt.
Jetzt ist mit Barcelona der Touristen-Hotspot der iberischen Halbinsel betroffen. Die Anschläge von Barcelona und Cambrils werfen die Frage auf, wie hoch die Terror-Gefahr im Land in letzter Zeit war. Anders als andere europäische Länder hatte Spanien im Jahr 2015 verkündet, sich nicht an den Luftschlägen der westlichen Alliierten in Syrien zu beteiligen – eine Tatsache, die viele in Sachen Terror als risikomindernd ansahen.
Touristen-Hotspots als Terrorziel
Unterstützung im internationalen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sicherte Spaniens Innenminister Jorge Fernández Díaz trotzdem zu. Der IS habe «der gesamten zivilisierten Welt den Krieg erklärt, und wir müssen uns verteidigen», so der Minister damals. Jihadisten fassten das, so schreibt der «Telegraph», als Einladung zum Begehen von Terroranschlägen auf.
Weil Spanien vor Jahrhunderten zudem lange unter muslimischer Herrschaft stand, steht das Land auf islamistischen Websites ohnehin als potenzielles Ziel von Terror-Anschlägen hoch im Kurs. Auch Spaniens Ruf als beliebtes Ferienziel für Millionen Touristen aus aller Welt hat das Risiko von Anschlägen erhöht. Dazu passt auch, dass Jihadisten Anfang dieses Jahres angekündigt hatten, populäre mediterrane Ferien-Hotspots ins Visier zu nehmen.
«Es gab genügend Hinweise, dass Spanien unter den Top-Zielen des Islamischen Staates ist», sagte der US-Terror-Experte Michael S. Smith II zu «Newsweek». Es gebe etwa spanische Versionen von IS-Propagandamaterial, die den Rückhalt für die Jihadisten in Spanien und anderen spanischsprachigen Ländern stärken sollen.
Gefahr durch IS-Rückkehrer
Dem Innenministerium zufolge wurden seit Juni 2015, als die Terrorgefahr auf die vierte von fünf möglichen Stufen angehoben wurde, mehr als 180 «jihadistische Terroristen» festgenommen. Mehr als 150 Extremisten aus Spanien sind nach Syrien gereist, um an der Seite des IS zu kämpfen. Im ganzen Land sind 3000 zusätzliche Beamte von Polizei und Geheimdiensten im Einsatz, um potenzielle Bedrohungen zu identifizieren.
Seit der IS in seinem Kerngebiet zurückgedrängt wird, fürchten spanische Sicherheitskräfte ausserdem, dass viele radikalisierte Kämpfer nach Spanien zurückkehren. Gefahr droht nach Meinung vieler auch durch die Flüchtlingskrise. In Spanien kommen aus Nordafrika täglich hunderte Menschen an – auf dieser Route, so die Befürchtung, könnten Jihadisten inmitten der vielen Flüchtlinge unbemerkt ins Land gelangen. Allein in diesem Jahr sind den Vereinten Nationen zufolge mehr als 9000 Menschen aus Nordafrika in Spanien angekommen – dreimal mehr als im vergangenen Jahr.
Das Problem der islamistischen Radikalisierung im Land hat sich in den vergangenen Jahren «El Pais» zufolge auf vier Regionen konzentriert: Barcelona, die nordafrikanische Enklave Ceuta, Madrid samt seiner Vororte und Melilla.