Nati-Star Alisha Lehmann spricht über Kritiker, die EM – und ihr Leben

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Exklusiv-Interview mit Alisha Lehmann«Hate-Kommentare interessieren mich nicht» – Nati-Star kontert Kritiker

Alisha Lehmann ist ein Phänomen. Die 22-Jährige spielt in der Schweizer Nati, schnürt ihre Fussballschuhe in England – und hat auf Instagram fast drei Millionen Follower.

Nils Hänggi
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Nils Hänggi

Lehmann hat gute Laune. Verständlich, sie hat auch Ferien.

Taddeo Cerletti/Nils Hänggi

Darum gehts

  • Die Saison für Alisha Lehmann ist beendet. Derzeit weilt sie in den Ferien in der Schweiz.

  • Im grossen Interview mit 20 Minuten spricht sie über ihre Karriere, Frauenfussball – und darüber, wer sie ist.

  • Auf Social Media ist Lehmann ein grosser Star.

  • Die 22-Jährige sagt: «Im Zweifel würde ich mich immer für den Fussball entscheiden

Alisha, wie geht es dir?

Alisha Lehmann: Sehr gut! Ich habe gerade Ferien, sehe meine Familie endlich wieder. Seit einer Woche bin ich wieder in der Schweiz. Und darüber freue ich mich sehr.

Am Freitag beginnt die EM der Männer. Freust du dich darauf?

Sehr! Ich freue mich mega. Oft schaue ich jedes Spiel an, bin also den ganzen Tag am Match schauen. (lacht) Nein im Ernst, ich kann es nicht erwarten, dass es losgeht. Und ja: Hopp Schwiiz!

Im letzten halben Jahr spieltest du für Everton. Bleibst du dort? Du bist ja ausgeliehen.

Ich habe das halbe Jahr mega genossen. Ich habe eine coole neue Stadt kennengelernt, auch viele tolle Leute. Ich bin aber keine Person, die viel plant oder schaut, was in zehn Jahren ist. Ich bin spontan! Daher kann ich auch noch nicht genau sagen, wie es weitergeht.

Und mit deinen Leistungen bist du zufrieden?

Die Saison war sicherlich nicht meine beste. Persönlich und auch sportlich. Aber ich glaube, dass jede Person mal eine schlechtere Saison hat. Das ist nicht schlimm. Es war aber auch nicht alles einfach. Ich konnte wegen Corona meine Familie nicht oft sehen, war öfters alleine. Da man diese Seite auf Social Media nicht sieht, vergessen das viele Leute. Ich hatte wirklich schwierige Momente. Aber jetzt geht es mir wieder super und ich freue mich mega auf die nächste Saison!

Du meintest, du planst nicht langfristig in die Zukunft. Dennoch: Was willst du noch erreichen?

Natürlich eine gute Saison spielen und dann eine erfolgreiche EM bestreiten im Sommer 2022. Das Turnier ist eine super Möglichkeit, um den Frauenfussball in der Schweiz zu pushen. Dass wir uns qualifiziert haben, war mega. Und die Afterparty war auch nicht schlecht! Jetzt trainieren wir ein Jahr hart, um zu zeigen, was wir können.

Schauen wir auf deine Anfänge. Du bist mit sechs Jahren erstmals mit deinem Cousin einem Fussballclub beigetreten. Wieso wolltest du kicken?

Mein Cousin war immer wie mein Bruder. Wir sind gleich alt, machen immer alles zusammen. Ich trat mit ihm dem FC Konolfingen bei. Doch nach einem halben Jahr hatte ich keine Lust mehr. Später fing ich aber wieder alleine an. Auch weil noch andere Mädchen starteten. Und ja, seither spiele ich. Und ich liebe es!

Mit 12 bist du zu YB gewechselt, 2015 warst du Teil der U-17, die den EM-Final erreichte. Wann wurde dir bewusst: «Ja, ich bin gut.»?

Als ich den Sprung nach England schaffte und ich nach meiner ersten Saison als «Best Young Player» nominiert worden bin, dachte ich mir schon: «Cool.» Ich bin sehr ehrgeizig, arbeite hart, gebe immer alles. Ich glaube, wenn man etwas wirklich will und alles dafür tut, dann erreicht man das auch.

Das stimmt sicherlich.

Ja! Als ich 2019 mit West Ham im FA Women's Cup-Final gegen Manchester City spielte, war das surreal. Es waren über 40’000 Zuschauer im Stadion. Und da habe ich mir schon überlegt, was ich alles erreicht habe, wie mein Weg war. Mir wurde bewusst: Ja, es macht alles Sinn.

Das ist Alisha Lehmann

Alisha Lehmann ist jung. Erst 22 Jahre ist sie alt. Dennoch, viel hat sie schon erreicht. Als 19-Jährige wechselte der Nati-Star im August 2018 von den Young Boys in die höchste englische Liga zu West Ham United. Im Januar 2021 wechselte sie leihweise zum FC Everton. Im Juli 2015 war die Bernerin Teil der Schweizer U17-Nati, die sich an der Europameisterschaft in Island bis in den Final spielte. Dort unterlag die Schweiz dem spanischen Team aber 2:5. In diesem Frühling schaffte sie mit der Nati die Quali für die EM in einem Jahr.

Und auch auf Social Media ist Lehmann ein grosser Star. Auf Instagram hat sie 2,7 Millionen Follower, auf Tiktok 2,2. Dennoch sieht sie sich als Fussballerin – und nicht als Social-Media-Star. Im Interview mit 20 Minuten sagt sie: «Ich investiere auch nicht mehr Zeit in Social Media als andere. Es ist eine tolle Abwechslung, aber nicht mehr. Instagram und Tiktok mache ich nebenbei. Im Zweifel würde ich mich immer für den Fussball entscheiden. Immer.» (nih)

Du hast jetzt gerade West Ham angesprochen. Wie war der Wechsel damals? Ein Sprung ins kalte Wasser?

Ich bin eine sehr offene Person, rede sehr viel. Daher war es für mich nicht so schwer. Obwohl es auch Schwierigkeiten gab. Anfangs konnte ich noch nicht gut Englisch, sagte bei jeder Frage: «Yes» oder «I don’t know». Aber auch das habe ich mittlerweile sehr gut gelernt. (lacht)

Frauenfussball bekommt viel weniger Aufmerksamkeit als Männerfussball. Was sind die Gründe?

Es war schon immer so, dass Männerfussball viel grösser ist. Aber England macht das gut. In der nächsten Saison überträgt etwa Sky Sports die Frauenliga. In der Schweiz geht halt alles ein bisschen länger – wie vieles (lacht). Dass wir 2022 aber bei einer EM teilnehmen, nützt sicherlich mega viel. Die Teilnahme an grossen Turnieren ist wichtig und hilft dem Frauenfussball in der Schweiz enorm.

Ende Jahr 2020 bist du auch im Rap-Video von Shirin David vorgekommen – was verbindest du mit Musik?

Ich höre mega gerne Musik. Englischer Rap, aber auch Rap aus Deutschland wie beispielsweise Shirin David. Musik gibt einem viel. Ich fühle sie einfach sehr.

Das ist der Song von Shirin David, in dem Alisha Lehmann vorkommt. Lehmann sagt: «Ich höre mega gerne Musik. Englischer Rap, aber auch Rap aus Deutschland wie beispielsweise Shirin David. Musik gibt einem viel. Ich fühle sie einfach sehr.»

Instagram

Auf Instagram hast du 2,7 Mio Follower. Nur wenige Schweizerinnen und Schweizer haben mehr. Wie bewusst ist dir das?

An erster Stelle steht für mich der Fussball. Ich bin eine Fussballerin. Ich investiere auch nicht mehr Zeit in Social Media als andere. Es ist eine tolle Abwechslung, aber nicht mehr. Instagram und Tiktok mache ich nebenbei. Im Zweifel würde ich mich immer für den Fussball entscheiden. Immer.

Nervt es dich, dass dich manche Leute eher mit Social Media verbinden als mit Fussball?

Eigentlich gar nicht. Jeder soll denken, was er will. Es gibt immer Menschen, die meine Kanäle anschauen und denken: Sie ist nicht fokussiert. Doch das stimmt nicht. Ich verbringe so wenig Zeit auf Social Media, auch wenn ich viel poste. Mir macht es einfach Spass. Und wenn mich diese Leute dann auch kennenlernen, merken sie immer, wie ich wirklich bin und dass ihr Bild von mir falsch war.

Wie gehst du mit Hate-Kommentaren um?

Dafür interessiere ich mich nicht gross. Ich lese solche Kommentare nicht und kann sie ausblenden. Es gibt doch immer Menschen, die nicht einverstanden damit sind, was man macht.

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Alisha Lehmann ist im Interview sehr offen. Sie erzählt über ihr Leben und das, was sie bewegt. 
Alisha Lehmann

Alisha Lehmann ist im Interview sehr offen. Sie erzählt über ihr Leben und das, was sie bewegt.
Alisha Lehmann

20min/Taddeo Cerletti
«An erster Stelle steht für mich der Fussball. Ich bin eine Fussballerin. Ich investiere auch nicht mehr Zeit in Social Media als andere», so Lehmann etwa. 

«An erster Stelle steht für mich der Fussball. Ich bin eine Fussballerin. Ich investiere auch nicht mehr Zeit in Social Media als andere», so Lehmann etwa.

20min/Taddeo Cerletti
Hier freuen sich Alisha Lehmann und Riola Xhemaili. Mit der Schweizer Nati spielen sie in einem Jahr an der Frauenfussball-EM. 

Hier freuen sich Alisha Lehmann und Riola Xhemaili. Mit der Schweizer Nati spielen sie in einem Jahr an der Frauenfussball-EM.

freshfocus

Du hast es schon selbst angesprochen: die Frauenfussball-EM in einem Jahr. Es vergeht noch ein wenig Zeit bis dahin. Dennoch: Was liegt drin?

Wir haben noch vieles zu lernen. Hatten in der letzten Zeit mehrere Verletzte zu verkraften. Der Kreuzbandriss von Malin Gut war etwa ein riesiger Rückschlag. Doch wir haben jetzt ein Jahr Zeit, um uns vorzubereiten. Dann schauen wir, wozu es reicht. Wir haben ja auch viele Talente. Riola Xhemaili zum Beispiel.

Dein Nati-Coach Nielsen sagte im Mai in einem Interview: «Swiss Girls arbeiten sehr hart. Sie haben den Willen. Einzig das Selbstvertrauen, ihre Stimme zu erheben, fehlt im Vergleich zu anderen Ländern.» Daher meine Frage: Was ist Alisha für ein Mensch?

Ich bin ein sehr offener Mensch, lerne gerne neue Sachen. Ich lebe im Moment, plane nicht die nächsten 15 Jahre durch. Ich bin mega bodenständig, schätze das, was ich habe. Und ja, ich lebe einfach sehr gern.

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