TransparenzKrankenkasse legt Löhne offen und streicht fast alle Boni
Lohntransparenz gilt nun auch bei der zweitgrössten Krankenkasse. Nur etwa zehn der 3300 Angestellten waren dagegen.

- von
- Fabian Pöschl
Löhne sind in der Schweiz immer noch ein Tabuthema. Das könnte sich aber ändern. Der Personalexperte Matthias Mölleney und CEO Manuel Wiesner waren Ende Januar im Studiotalk von 20 Minuten.
Darum gehts
Bei der Helsana wissen die Angestellten, in welcher Funktion es wie viel Lohn gibt.
Bei wenigen gab es Lohnkürzungen, viele verdienen dafür mehr.
Ein Experte warnt aber vor Neid.
Der Lohn ist für viele in der Schweiz ein gut gehütetes Geheimnis. Doch immer mehr Unternehmen wie Ergon Informatik, die Alternative Bank oder Familie Wiesner Gastronomie mit Restaurants wie Nooch und Negishi haben den Lohn offen gelegt.
Seit April setzt auch der Krankenversicherungsriese Helsana mit seinen 3300 Mitarbeitenden auf Lohntransparenz. Das ermögliche eine klare Abgrenzung im Funktionsbeschrieb und eine bessere Position im Wettstreit um Fachkräfte, wie HR-Leiter Beat Hunziker zu 20 Minuten sagt.
Vor allem sei es aber ein vielfacher Wunsch der Mitarbeitenden. «Sie wollten Klarheit, wo sie mit ihrem Salär stehen. Jetzt können wir diese Vergleichsmöglichkeit bieten», so Hunziker. Für jede der 400 Arbeitsfunktionen bei Helsana gibt es im Intranet nun ein Lohnband mit einer Spanne von 30 Prozent für den Minimal- und Maximallohn.
Boni fast komplett abgeschafft
Dort steht auch, welche Voraussetzungen wie etwa Weiterbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse es pro Funktion braucht. «Die Mitarbeitenden sehen so, wie sie sich für die nächste Funktionsstufe weiterentwickeln müssen. Sie sollen die Entwicklungsschritte besprechen können. Wenn sie dafür in andere Geschäftsbereiche wechseln, profitiert vom unternehmensweiten Wissen auch die Kundschaft», so Hunziker.
Flexible Vergütungen wie Boni schaffte Helsana fast komplett ab. «Wir haben nur noch einen Bonus bei extrem gutem Geschäftsverlauf verteilt nach Leistung, das ist aber ein geringer Betrag», so Hunziker.

Beat Hunziker, HR-Leiter von Helsana.
Bei den Mitarbeitenden sei das neue System gut angekommen. «Das Feedback ist sehr positiv und die erforderlichen Vertragsofferten haben nur etwa zehn Mitarbeitende nicht unterschrieben, so Hunziker.
Nur für die wenigsten habe es wegen des neuen Systems Lohnkürzungen gegeben. «Die verstanden es auch, weil sie schon gut verdient haben. Dafür konnten wir einige Mitarbeitende in höhere Löhne hochziehen», sagt Hunziker. «Neben der Lohntransparenz ist uns auch die interne Lohnfairness wichtig.»
Lohngespräche seien nun viel sachlicher, weil die Mitarbeitenden nun klare Transparenz hätten. Dank eines neuen Bewertungssystems könnten sie auch die Löhne auf dem Markt besser vergleichen. Ein nächster Schritt könnte unter Umständen sein, das Lohnband künftig in der Stellenanzeige anzugeben.
Lohnliste mit Namen aufgetaucht
Wegen eines Lecks tauchten die Lohnbandbreiten von Helsana für jeden einsehbar online auf und zwar nicht nur mit dem Lohn pro Funktion, sondern mit den Namen von rund 40 Mitarbeitenden, wie das Finanznews-Portal «Inside Paradeplatz» berichtet. Das sei ein Problem, sagt HR-Leiter Beat Hunziker. Offenbar habe jemand die Liste mit Namen ergänzt. «Die Firma wird dem auf den Grund gehen», so Hunziker. Obwohl die sicherheitstechnischen Standards alle Vorgaben erfüllten, gebe es keine absolute Sicherheit, wenn diese von Menschen vorsätzlich ausgehebelt werden. Viele Mitarbeitende seien enttäuscht, dass jemand aus den eigenen Reihen so etwas gemacht hat.
Weitere Firmen werden wohl folgen mit Lohntransparenz. Das Interesse nehme definitiv zu, zitiert die «Handelszeitung» Gehaltsexpertin Corinna Ast vom Wirtschaftsprüfer EY. Auslöser seien neben gesellschaftlichem Druck vor allem von der Generation Z auch neue Gesetze wie in der EU zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Allerdings zeigen Studien, dass Lohntransparenz auch negativ sein kann. Wer herausfindet, dass Kollegen mehr verdienen, ist häufig verärgert und wird unproduktiver. «Das kann zu Neid unter den Angestellten führen», sagt der Lohnexperte Jean-Marc Jung zu 20 Minuten.
Kennst du die Löhne von anderen Angestellten in der Firma?
Wer sich für Löhne interessiere, finde Informationen im Lohnbuch Schweiz, auf Webseiten von Personalvermittlern und Verbänden oder beim Bundesamt für Statistik. Für die Kundschaft der Helsana sei es aber positiv, dass die Firma die Vergütungen streicht. «Dann sind die Angestellten nicht mehr auf Boni aus, sondern objektiver in der Beratung», so Jung.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht sollte Lohntransparenz nach Funktion oder Lohnklasse kein Problem darstellen, sagt Silvia Böhlen, Sprecherin des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. So sei es auch beim Bund üblich. «Bei einem kleinem Unternehmen, in dem es pro Funktion nur eine oder zwei Personen gibt, kann diese Information jedoch ausreichen, um eine Person zu identifizieren», so Böhlen.
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