Wallbach AGHier eröffnen die Räuber das Feuer – sieben Einschläge im Schlafzimmer
Im Oktober 2020 versuchte eine Räuberbande, ein Waffengeschäft in Wallbach AG auszurauben. Sie wurden vom Ladenbesitzer Jean-Paul Schild in die Flucht geschlagen. Aufnahmen von Überwachungskameras zeigen erstmals die Brutalität der Angreifer.
- von
- Steve Last
Darum gehts
Erschreckende Überwachungsaufnahmen zeigt die «Rundschau» von SRF. Mehrere Männer eröffnen das Feuer auf ein Haus, danach wird die durchsiebte Fassade eingeblendet. Die Aargauer Polizei zählt 17 Einschläge in der Hauswand, sieben drangen in das Schlafzimmer ein. Die Bilder stammen aus dem Oktober 2020. Damals versuchte eine bewaffnete Bande, ein Waffengeschäft in Wallbach AG auszurauben.
Schon damals war klar, dass die Räuber bewaffnet angerückt waren und sich nicht etwa erst im Laden ausgerüstet hatten. Die Polizei kommunizierte einen versuchten Raubüberfall. Die Männer wurden vom Ladenbesitzer, dem erfahrenen Sportschützen Jean-Paul Schild, in die Flucht geschlagen. Die Überwachungsvideos zeigen nun erstmals, wie nahe die Räuber waren – und wie brutal sie vorgingen.
Auf den Aufnahmen, die die «Rundschau» zeigt, ist zu sehen, wie einer der Angreifer versucht, in das Schlafzimmerfenster oberhalb des Waffenladens zu klettern. Schild gibt einen Schuss ab, einen Warnschuss, wie er sagt. Der Räuber springt auf den Boden, ist offenbar verletzt. Seine Komplizen decken das Haus mit Feuer aus Sturmgewehren und Pistolen ein.
Drei Jahre Gefängnis für Schild gefordert
Schild erwidert das Feuer, schiesst auf den Motorblock von einem der Autos, das die Räuber vor dem Haus abgestellt haben. Sie ergreifen die Flucht. Laut der «Rundschau» kommen sie aus dem Umfeld des organisierten Verbrechens aus der Umgebung von Lyon (F). Die französischen Behörden haben die Bande dingfest gemacht. Gegen Jean-Paul Schild eröffnete hingegen die Aargauer Staatsanwaltschaft ein Verfahren und erhob im Mai Anklage wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung. Sie beschuldigt Schild, den Tod der Angreifer zumindest in Kauf genommen zu haben (Eventualvorsatz).
Wie die «Rundschau» berichtet, fordert die Anklage eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon sechs Monate unbedingt. «Ich habe nicht versucht, die Einbrecher zu erschiessen. Ich habe rein einen Warnschuss abgegeben und auf das Fahrzeug geschossen», sagt Schild in der Sendung. Einer Schuld, weshalb er ins Gefängnis müsse, sei er sich nicht bewusst. «Ich habe gezielt geschossen, nicht wild ins Zeug geballert», hält er fest.
Und warum hat sich Schild nicht einfach versteckt? «Waffen sind nicht wie Schmuck und Geld. Wenn sie in diese Kreise geraten, werden sie genutzt, um Menschen Leid zuzufügen», sagt er der «Rundschau». Zum Zeitpunkt des versuchten Raubüberfalls habe ein ganzes Arsenal zur Umrüstung eines Polizeikorps bei ihm gelagert. Schild habe in dem Moment «nur noch funktioniert», wie er sagt.
«Nicht nachvollziehbar»
Für die Staatsanwaltschaft gilt der Grundsatz, im Zweifel Anklage zu erheben und den Fall von einem Gericht beurteilen zu lassen. Dieses hat wiederum im Zweifel für den Beschuldigten zu entscheiden. Dass das Verfahren gegen Schild nicht eingestellt wurde, findet der ehemalige Leitende Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich, Andreas Brunner, «nicht nachvollziehbar». Wie er der «Rundschau» sagt, sei das ein «Lehrbeispiel eines Falls gerechtfertigter Notwehr». Er hätte das Verfahren eingestellt. Aus seiner Sicht hätte die Staatsanwaltschaft nicht anklagen müssen, weil kein dringender Tatverdacht bestehe.
Am Ende werden nun doch die Gerichte entscheiden müssen. Eine erste Verhandlung wird am Bezirksgericht Rheinfelden AG stattfinden. Ein Termin steht auch zwei Jahre nach dem Vorfall noch nicht fest.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen