Detektiv für Visa und CoHier wird Betrug mit Kreditkarten verhindert
Sie sind so etwas wie die Detektive der Kreditkartenfirmen. 20 Minuten konnte den Betrugsbekämpfern der Firma Swisscard über die Schultern schauen.
- von
- S. Spaeth
Hohe Bargeldbezüge mit Kreditkarte, ein nächtlicher Anruf für die Erhöhung der Limite oder der Einsatz einer Schweizer Karte in Nigeria: Sie haben eine Nase dafür, wenn etwas faul ist – die zwanzig Mitarbeiter der Abteilung Betrugsbekämpfung beim Kartenherausgeber Swisscard. Das Team arbeitet in einem modernen Glasgebäude in Horgen mit Sicht auf den Zürichsee und die Alpen. Die Betriebszeiten der Kreditkarten-Detektive: 24 Stunden, 365 Tage im Jahr.
Wer die Betrugsbekämpfer besuchen will, muss mehrere Sicherheitsschleusen passieren – und vorgängig eine Geheimhaltungsverpflichtung unterzeichnen, womit unter anderem das Einhalten des Bankgeheimnis und des Datenschutzgesetzes bezeugt wird. Wir treffen Thomas M.*, der seine Schicht am frühen Morgen begonnen hat. Jetzt, um 14.30 Uhr, haben er und seine Kollegen bereits 170 verdächtige Transaktionen bearbeitet, wie auf einem grossen Bildschirm im Raum angezeigt wird. Über 50 Fälle klärt ein Mitarbeiter im Schnitt pro Schicht ab.
Verdächtige Einkaufsserie
M. arbeitet auf seinem Bildschirm eine Liste mit «Fraud Alerts» ab. Der oberste Eintrag betrifft eine Kreditkarte, die kurz nacheinander für zwei mehrere Hundert Franken teure Einkäufe bei einem Online-Modehändler von eingesetzt wurde. «Wenn ich in den früheren Transaktionen sehe, dass der Kunde oft für derartige Summen bei diesem Shop einkauft, gebe ich die blockierte Kreditkarte wieder frei», sagt M. Ist dies nicht der Fall, wird der Kunde kontaktiert und per Telefon oder SMS nachgefragt, ob er die Bestellungen getätigt habe. In diesem Fall zeigt der Blick in die Aufzeichnungen: Der Kunde kauft regelmässig bei diesem Online-Modeshop ein, darum alles im grünen Bereich.
Der nächste Fall: Eine Kreditkarte wurde sechsmal hintereinander im Onlineshop eines Bahnunternehmens zum Kauf eines Tickets eingesetzt. Hier könnte es sich laut M. um einen Betrug mit geklauten Kartendaten handeln, wobei die Betrüger sich dann das Geld am Schalter für die nicht verwendeten Bahnbillette rückerstatten lassen wollen. M. ruft die Karteninhaberin an. Alles in Ordnung, sagt die Frau. Sie habe mit der Kreditkarte die Tickets für die Bahnfahrt der Geschäftskollegen gekauft. M. vermerkt dies und gibt die Karte frei.
Betrugsmasche: Den Lieferdienst abfangen
«80 Prozent der von uns kontaktierten Personen sind dankbar. 20 Prozent sind verärgert, weil zuvor ihre Karte gesperrt wurde», sagt M., der bereits sechs Jahre in der Betrugsbekämpfung arbeitet. «Man entwickelt mit der Zeit ein Bauchgefühl für verdächtige Transaktionen.» Derzeit komme es vermehrt zu Betrugsversuchen bei Same-Day-Lieferungen. Die Masche: Gauner bestellen mit geklauten Kartendaten teure, rasch lieferbare Elektronikartikel an eine Schweizer Adresse, wobei ein Komplize den Zusteller bei der Lieferung abfängt.
«Über die Tracking-Funktion wissen auch die Gauner ziemlich genau, wann der Bote kommt», sagt M. Bei derartigem Verdacht kontaktieren die Betrugsbekämpfer so rasch als möglich den Karteninhaber und den Verkäufer, damit Letzterer die Lieferung womöglich noch stoppen kann. «Gelingt das, schwingt schon etwas Stolz mit», sagt M.
Diese Art von Betrug wird möglich, weil ein Teil der Onlineshops, darunter auch grosse internationale Online-Versandhändler, auf das 3-D-Secure-Verfahren verzichtet. Dabei muss ein Karteninhaber per App oder Passwort eine Transaktion bestätigen. «Gewisse Anbieter glauben, 3-D Secure schrecke Kunden ab», sagt Hélder da Costa, Teamleiter in der Abteilung Betrugsbekämpfung. Verzichtet ein Onlinehändler auf 3-D Secure, liegt die Haftung im Betrugsfall beim Händler. Der Kunde bleibt auch in diesen Fällen vor finanziellen Schäden geschützt, solange er seine Kreditkarte gemäss den üblichen Regeln einsetzt.
Ein gewisser Anteil an Betrugsfällen wird akzeptiert
Die Anzahl Betrugsfälle ist laut Swisscard seit 2013 auf tiefem Niveau stabil. «Eine weitere Senkung wäre nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand für Kunden und Swisscard möglich», sagt da Costa. Ein gewisser Anteil an Betrugsfällen werde darum akzeptiert.
Bevor die Betrugsbekämpfer zum Einsatz kommen, ist eine Software im Einsatz, die die Transaktion innerhalb von wenigen Sekunden auf ihre Plausibilität prüft und versucht, Betrugsmuster zu erkennen. So schlägt das System beispielsweise Alarm, wenn eine Karte innert kurzer Zeit an zwei weit auseinander liegenden Orten eingesetzt wird. Die Folge: Die Autorisierung wird verweigert und das Anti-Fraud-Team erhält einen Alert.
Rund 91 Millionen Autorisierungsanfragen gehen jährlich bei Swisscard ein, wovon lediglich ein Bruchteil manuell geprüft wird. Von diesen Transaktionen stellten sich im letzten Jahr rund 16'000 als Betrugs- oder Betrugsversuch heraus. «Den Schaden tragen meist die Kreditkartenherausgeber, ausser die Kunden sind grob-fahrlässig mit ihren Daten umgegangen», sagt da Costa.
Wenn plötzlich ein Superreicher am Draht ist
Zurück zu M., der regelmässig auch Nachtdienste schiebt und dann beinahe allein ist in dem grossen Glasgebäude in Horgen. «Es kommt ab und zu vor, dass prominente Persönlichkeiten um eine Erhöhung ihrer Limite anfragen, weil eine Zahlung abgelehnt wurde», sagt M. Das könne einen schon nervös machen. «Bei einem Promi willst du nichts falsch machen.» Im Notfall gelte es darum, selbst mitten in der Nacht einen Manager zu kontaktieren.
Namen und Limitenhöhe nennt M. natürlich keine. Datenschutz und Diskretion sind oberstes Gebot. Darf M. eigentlich sagen, wo er arbeitet? «Ja klar. Wir arbeiten in der Abteilung Betrugsbekämpfung und nicht beim CIA.»