StrassenverkehrHightech-Autos sollen tiefer besteuert werden
Wer ein Fahrzeug mit intelligenten Assistenzsystemen lenkt, soll weniger Motorfahrzeugsteuern zahlen, fordern Experten.
- von
- Stefan Ehrbar
230 Menschen starben letztes Jahr auf Schweizer Strassen. Das Bundesamt für Strassen (Astra) und die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) wollen diese Zahl auf höchstens 100 pro Jahr drücken.
Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) nun finanzielle Anreize vor. Autos mit Sicherheitssystemen wie Notbremsassistenten könnten von einer reduzierten Motorfahrzeugsteuer profitieren, sagt BfU-Sprecher Nicolas Kessler. «Fahrassistenzsysteme weisen ein hohes Schutzpotenzial auf», sagt Kessler. Eine Befragung aus dem letzten Jahr zeige aber, dass nur jeder zehnte diese Systeme gut kenne. Viele seien zudem skeptisch und hätten falsche Vorstellungen von ihrer Funktionsweise.
Bis zu 69 Prozent weniger Unfälle
Gerade junge Erwachsene fürchteten zudem den Verlust des klassischen Fahrgefühls, heisst es in einer von der BfU in Auftrag gegebenen Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Auch gebe es verzerrte Vorstellungen zu den Wirkungen. So meinten viele, dass etwa ein Tempomat das Fahren sicherer mache – dabei sei eher das Gegenteil der Fall. Sinnvolle Assistenzsysteme seien etwa Notbremsassistenten oder Spurhaltesysteme.
Bettina Zahnd, Leiterin der Unfallforschung bei der Axa Versicherung, begrüsst die Idee. Eine Studie der Axa-Unfallforschung habe gezeigt, dass Autos mit Notbremsassistenten zwischen 30 und 69 Prozent weniger Auffahrkollisionen verursachten. ESP, also Systeme, die gezielt einzelne Räder abbremsen, um Schleudern zu verhindern, führten zu rund 47 Prozent weniger Selbst- und Schleuderunfällen. «Die Anzahl getöteter Autoinsassen ist seit Jahren rückläufig. Assistenzsysteme hatten in den letzten zehn Jahren einen grossen Anteil daran», sagt Zahnd.
«Wer sich schützt, sollte belohnt werden»
Von einer sinnvollen Idee spricht auch Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. In Zukunft würden die Assistenzsysteme noch intelligenter. «Wir bewegen uns Stück für Stück ins autonome Fahren. Das wird die Unfallstatistik weiter verbessern.»
Es sei sinnvoll, etwa über Steuern eine Motivation für den Besitz von sicheren Autos zu schaffen. «Die sozialen Kosten für Unfälle sind sehr hoch. Wer sich davor schützt, sollte belohnt werden.» Es werde immer Assistenzsysteme geben, die von verschiedenen Lobbygruppen als unterschiedlich sicher angesehen würden. Alle Systeme entwickelten sich aber weiter: «Tempomaten, die nur die Geschwindigkeit regeln, sind etwa schon bald Vergangenheit. Die neuen Systeme koppeln ihre Funktion an den Abstand zum vorherfahrenden Fahrzeug und leiten wenn nötig sogar eine Bremsung ein», sagt Dudenhöffer.
Gesetze aus dem Jahr 1969
Von den Systemen überzeugt ist auch die Europäische Transport-Sicherheitsbehörde ETSC, der auch die Schweiz angehört. In einem Bericht vom Juli spricht sie sich dafür aus, alle neuen Autos mit Notbremsassistenten auszustatten. Diese erkennen etwa Fussgänger oder Velofahrer und leiten im Notfall eine Bremsung ein. Eine entsprechende Verordnung der EU wird zurzeit überarbeitet.
In der Schweiz sind die Assistenzsysteme noch nicht in der Gesetzgebung angekommen. Im Kanton Aargau etwa «stammt das Strassengesetz aus dem Jahr 1969 und kennt keine solchen Reduktionen», wie eine Sprecherin sagt.
Verhältnismässig sichere Strassen
Im europäischen Vergleich sind die Schweizer Strassen verhältnismässig sicher. Im letzten Jahr starben 27 Menschen pro eine Million Einwohner auf den Strassen. Tiefer waren die Werte gemäss einem neuen ETSC-Bericht nur in Schweden mit 25 und Norwegen mit 20 Toten pro Million Einwohner. Gegenüber dem Jahr 2010 ist die Zahl im Vergleich zur Bevölkerung um 36 Prozent zurückgegangen.
Die BfU befürchtet, dass das Bewusstsein der Politik für die Verkehrssicherheit nachlässt, wie sie in ihrem Jahresbericht schreibt. In der Bevölkerung nehme zudem die Zustimmung zu einzelnen Massnahmen wie Tempolimiten ausserorts und auf Autobahnen ab. Um die angepeilte Reduktion der Verkehrstoten zu erreichen, sei die «konsequente Umsetzung der Massnahmen von Via Sicura und die Weiterführung von Präventionsmassnahmen vonnöten», sagt BfU-Sprecher Nicolas Kessler.
Tiefere Prämien dank Fahrtenschreiber
Die BFU hält auch Versicherungsprämien, die das persönliche Fahrverhalten berücksichtigen, für sinnvoll. Solche Modelle wenden bereits viele Versicherungen an, etwa indem Junglenker, die einen Fahrtenschreiber installieren, von tieferen Prämien profitieren. Noch weiter geht die Vaudoise Versicherung: Kunden eines spezifischen Versicherungsmodells werden mit 10, 20 oder 30 Prozent Rabatt belohnt. Kriterien seien die Art und Weise, wie sie bremsen, beschleunigen oder Kurven fahren, sagt Sprecherin Murielle Nussbaum. «Wir begrüssen jeden Schritt, der zu einem Rückgang der Unfallzahlen führt.»