Hisbollah-Chef droht: «Wir haben mehr Waffen als ihr denkt»
Keine Hoffnung auf einen Waffenstillstand in Nahost: Israel setzt die verheerenden Luftangriffe im Libanon fort, während die Hisbollah weiterhin israelisches Gebiet beschiesst und mit mehr Gewalt droht. Unterdessen einigten sich die G8 nach zähem Ringen auf eine gemeinsame Nahost-Erklärung.
Mit ihrem bislang stärksten Bombardement in Beirut hat die israelische Luftwaffe in der Nacht zum Sonntag ganze Wohnblocks in Schutt und Asche gelegt. Auch ein Elektrizitätswerk südlich der libanesischen Hauptstadt wurde zerstört. Die Hisbollah verstärkte ihre Raketenangriffe auf israelisches Gebiet: Beim Beschuss der Hafenstadt Haifa wurden acht Menschen getötet und sieben verletzt. Die Zahl der libanesischen Opfer der seit fünf Tagen anhaltenden Gewalt stieg unterdessen nach offiziellen Angaben auf rund 150.
Beim Hisbollah-Angriff auf Haifa setzte die libanesische Miliz nach Angaben aus israelischen Sicherheitskreisen erstmals Raketen ein, die eine grössere Reichweite und Zerstörungskraft als bisher verwendete Katjuscha-Raketen haben. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert kündigte daraufhin «weit reichende Konsequenzen für die gesamte Region» an. «Nichts wird uns daran hindern.» Der libanesische Informationsminister Ghasi Aridi klagte: «Dem Land droht die Vernichtung.»
Als Bedingung für eine Waffenruhe nannte Israel nach Angaben Aridis am Sonntag die Übergabe der am Mittwoch von der Hisbollah entführten Soldaten sowie einen Rückzug der Miliz aus dem Südlibanon hinter eine Linie etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze. Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi habe seinen libanesischen Kollegen Fuad Saniora angerufen und ihm die Bedingungen Israels übermittelt, hiess es. «Es war eine persönliche Initiative, noch ist nichts offiziell», sagte Aridi vor Journalisten. Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez sagte in Haifa, die Angriffe würden erst eingestellt, «wenn sich die Realität ändert».
Die Zahl der israelischen Todesopfer seit Mittwoch stieg am Sonntag auf 29, darunter 14 Soldaten. Die Hisbollah erklärte, sie werde auf weitere israelische Luftangriffe mit Attacken auf die petrochemischen Anlagen im Hafen von Haifa reagieren. Berichte, wonach Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah in der israelischen Offensive verletzt wurde, wies die Miliz zurück.
Am Sonnatg hielt Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah eine Ansprache im Fernsehsender Al Manar und drohte Israel mit weiteren Anschlägen. «Wir haben mehr Waffen als ihr denkt», sagte der Chef der Schiiten- Organisation.
Der General des israelischen Nordkommandos, Udi Adam, erhob den Vorwurf, iranische Soldaten unterstützten die Hisbollah beim Abfeuern im Iran gefertigter Raketen. Der iranische Aussenamtssprecher Hamid Resa Assefi wies dies zurück. Weder würden sich iranische Soldaten im Libanon aufhalten, noch habe man der Hisbollah Waffen geliefert, sagte er. Die Nervosität über eine mögliche Verwicklung in den Konflikt stieg auch in Syrien. Man werde jeden israelischen Angriff «hart und unbeschränkt» erwidern, erklärte die Regierung in Damaskus.
G-8-Gipfel einigt sich auf Nahost-Erklärung
Nach zähem Ringen haben sich die sieben führenden Industriestaaten und Russland auf dem G-8-Gipfel auf eine gemeinsame Erklärung zum Nahost-Konflikt geeinigt. Es sei «eine starke Botschaft mit einem klaren politischen Inhalt», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag in St. Petersburg. In der Erklärung wird laut Merkel die Freilassung der entführen israelischen Soldaten und die Einstellung der Angriffe auf Israel gefordert. Auch Israel wird zur Einstellung der Militäraktionen aufgeordert. Zudem erklären die G-8 ihre Unterstützung für die libanesische Regierung.
EU-Aussenbeauftragter Solana in Beirut
EU-Chefdiplomat Javier Solana ist am Sonntag zu Gesprächen über die eskalierende Lage im Nahen Osten in Beirut eingetroffen. Er will sich in der libanesischen Hauptstadt im Auftrag der EU um Vermittlung im Konflikt mit Israel bemühen. Seine Reise war ursprünglich schon für Samstag angekündigt worden.
Solana wird mit Vertretern der libanesischen Regierung sprechen, wie sein Büro mitteilte. Er wird nach Angaben der finnischen EU-Ratspräsidentschaft am Montag nach Brüssel zurückkehren, um die EU-Aussenminister über seine Gespräche zu informieren. Solana wurde von Zypern aus mit einem britischen Militärhubschrauber in den Libanon gebracht, wie das Verteidigungsministerium in London mitteilte.
Zaghafte Reaktionen der arabischen Welt
Am fünften Tag der neuen Libanonkrise bleiben die Reaktionen der arabischen Welt zaghaft. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, appellierte an die Mitgliedstaaten, den Libanon angesichts der israelischen Bombardierungen zu unterstützen. Saudi- Arabien kündigte bereits eine Spende von rund 15 Millionen Franken an die libanesische Regierung an.
Am Vortag hatten sich die Aussenminister der arabischen Staaten nicht auf eine gemeinsame Haltung zu den Militäraktionen der Hisbollah einigen können, die die israelischen Reaktionen auslösten. Sie verurteilten lediglich die israelischen Angriffe als «brutale Aggression».
Quelle: AP/SDA