Mordprozess BruggerbergHöhlenmord-Täter zu 19 Jahren und zwei Monaten verurteilt
Seit Montag muss sich ein 23-jähriger Schweizer wegen Mordes verantworten. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von über 16 Jahren.
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Mit dem Urteil des Bezirksgerichts Brugg ist der «Höhlenmord»-Prozess zu Ende gegangen. Das Gericht hat den 23-jährigen Täter zu einer über 19-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und ordnete eine stationäre Massnahme für psychisch schwer gestörte Täter in einer geeigneten Institution an – das ist die so genannte kleine Verwahrung. Die Therapie erfolgt in kontrolliertem und gesichertem Rahmen und die Entlassung hängt vom Behandlungserfolg ab.
Der Prozess ist aus Platzgründen im Gebäude der Mobilen Polizei in Schafisheim AG durchgeführt worden. Der 23-jährige Beschuldigte ist am Montagmorgen nur kurze Zeit im Verhandlungsaal gewesen. Nach einem Gang zur Toilette hat er sich geweigert, wieder zurückzukehren und verfolgte den Prozess per Video in einem separatem Raum. Er habe Angst vor den vielen Leuten, liess er seinen Verteidiger ausrichten.
Das Verhalten des Beschuldigten irritierte. Er zeigte bei der Videobefragung durch den Richter keine Reue. Er beantwortete die Fragen zum grausamen Mord mit einer unbegreiflichen Distanziertheit und ohne jegliche Emotionen. Für die Angehörigen des Opfers – seine Eltern und seine beiden Schwestern – waren diese Videoübertragungen kaum auszuhalten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Obergericht des Kantons Aargau weitergezogen werden. Der Verteidiger hatte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und eine mildere Massnahme für junge Erwachsene gefordert.
Keine Reue gezeigt
Laut dem Gericht hat der Täter keine Reue gezeigt. «Wir haben einen Aktenumfang von zwei Metern und haben keinen Millimeter von Reue gesehen», sagt der Richter.
Die stationäre Massnahme wird in einem ersten Schritt für fünf Jahre angeordnet und kann jeweils um fünf Jahre verlängert werden. Sie wird an die Freiheitsstrafe angerechnet. Der Beschuldigte befindet sich seit März 2021 im Gefängnis.
Rache als Tatmotiv
Für das Gericht ist bewiesen, dass der Beschuldigte das Opfer schon eine Woche vor dem Mord auf einer Bergtour im Kanton Tessin den Abhang hinunterschubste und ihn töten wollte. «Es war wieder ähnlich wie beim späteren Mord am Bruggerberg», habe der Beschuldigte in der Untersuchung selber gesagt. Den Mord hat er nicht bestritten, im Gegensatz zum Mordversuch.
Als Tatmotiv nennt der Richter Rache. «Es soll ihm auch so Scheisse gehen, wie mir», habe der Beschuldigte selber zugegeben. Es sei ein klarer Mord – sowohl das Tatmotiv, als auch die Ausführung der Tat.
Kleine Verwahrung für den Beschuldigen
Das Bezirksgericht Brugg hat am Donnerstagnachmittag den Beschuldigten des Mordes und des versuchten Mordes schuldig gesprochen. Es verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren und 2 Monaten und ordnet eine stationäre Massnahme an – das ist die so genannte kleine Verwahrung. Die Therapie für den psychisch schwer gestörten Täter erfolgt in kontrolliertem und gesichertem Rahmen und die Entlassung hängt vom Behandlungserfolg ab.
«Die Kälte, die das Opfer in der Höhle erleiden musste, widerspiegelt Ihre Gefühlskälte», sagt der vorsitzende Richter Sandro Rossi. Er nennt das Verhalten des Täters «grausam, bestialisch und unmenschlich.» Der Richter: «Sie haben das stundenlange Martyrium des Opfers in der Höhle nicht gestoppt.» Dass der Beschuldigte dann noch ein Feuer machte und einen Cervelat ass, sei unfassbar.
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Am zweiten Tag hat der Beschuldigte am Prozess erst am Schluss teilgenommen. Am Montag hatte er Angstzustände wegen des grossen Publikumsandrangs geltend gemacht.
Am Dienstag hielten die Staatsanwältin und die Anwälte des Beschuldigten und der Opferfamilie ihre Plädoyers. Die Staatsanwältin verlangte für den psychisch schwer beeinträchtigten Täter eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren, die zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben wird. Als Tatmotiv nannte die Staatsanwältin Neid und Eifersucht auf seinen Freund.
Der Anwalt der Opferfamilie verlangte ein Schmerzensgeld von je 80’000 Franken für die Eltern und je 25’000 Franken für die beiden Schwestern. Den Antrag der Staatsanwältin erachte die Opferfamilie aber als sehr milde, sagte er.
Für den Verteidiger ist sein Mandant bezüglich des Mordes geständig, den versuchten Mord im Tessin stritt er ab. Er verlangte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Die Strafe soll aber zugunsten einer therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene in einer speziellen Einrichtung aufgeschoben werden. Sein Mandant wolle sich therapieren lassen.
In seinem Schlusswort entschuldigte sich der Beschuldigte bei der Familie und sagte, dass ihm die Tat leid tue. Echte Reue hatte er aber bei der Befragung am Prozess nicht gezeigt, einen Entschuldigungsbrief hatte er in der Untersuchung nie geschrieben.
Das Bezirksgericht Brugg wird am Mittwoch über das Urteil beraten und es am Donnerstagnachmittag veröffentlichen.
Beschuldigter entschuldigt sich bei Familie
Am Ende des heutigen Prozesses liest der Beschuldigte völlig emotionslos einen kurzen Brief vor. «Es tut mir von tiefstem Herzen leid. Ich entschuldige mich bei der Familie, dass ich den Sohn so brutal umgebracht habe. Ich bereue die Tat sehr und wünschte, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte.»
Verteidiger verlangt 12 Jahre
Laut dem Verteidiger ist sein Mandant geständig bezüglich des Tötungsdelikts am Bruggerberg. Den versuchten Mord im Kanton Tessin streitet er ab. «Wir können heute nicht mehr rekonstruieren, was auf dem Berg ‹Cimetta› passiert ist.» Der Sturz könnte auch auf das mangelhafte Schuhwerk und das unwegsame Gelände zurückzuführen sein.
Der Höhlenmord sei nicht geplant gewesen, sondern spontan im Rahmen der Mutprobe verübt worden. Der Verteidiger verlangt eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Sein Mandant leide an einer schweren psychischen Störung. Er brauche eine Therapie statt einen Gefängnisaufenthalt. Der Verteidiger will deshalb die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene in einer speziellen Massnahmenvollzugseinrichtung. Sein Mandant wolle sich therapieren lassen.

Der Prozess findet im Gebäude der Mobilen Polizei in Schafisheim AG statt.
«Der seelische Schmerz ist unermesslich»
Der Opferanwalt verlangt für die Eltern ein Schmerzensgeld von je 80'000 Franken. Die Eltern hätten ein Jahr lang warten müssen, bis ihr toter Sohn im April 2020 in der Höhle von Wanderern entdeckt wurde. Die Ungewissheit über den Aufenthalt ihres Sohnes sei unbeschreiblich und die Grausamkeit der Tötung unerträglich gewesen. «Der seelische Schmerz ist unermesslich.» Für die beiden Schwestern fordert der Anwalt je 25'000 Franken Genugtuung.
«Den Freund elendiglich verrecken lassen»
Der Anwalt der Opferfamilie spricht von einem gezielten Mordversuch und einem geplanten Mord. «Die Taten waren berechnend, geplant, hinterhältig und abartig.» Es würden ihm die Worte fehlen über den blanken Horror, welchen das Opfer erleiden musste. Der Beschuldigte habe seinen Freund «elendiglich verrecken lassen», sagt der Anwalt. «Er wusste von der leichten kognitiven Beeinträchtigung seines Freundes und hat ihn regelrecht in sein eigenes Grab gelockt.» Der Fall erinnere ihn an den amerikanischen Horrorfilm «Lebendig begraben» aus dem Jahr 1962.
Es gab gar keinen Challenges-Wettbewerb
Zu Beginn des Plädoyers hat die Staatsanwältin sowohl Opfer als auch Täter beschrieben. Der 24-jährige Freund sei zurückhaltend, freundlich, kindlich und stark stotternd gewesen. Er habe Freunde gesucht und beim Täter einen solchen gesehen. Der Beschuldigte, welcher eine IV-Rente bezog und grosse psychische Probleme hat, gaukelte ihm mit den sogenannten «Challenges» ein Lügengebäude vor.
Er hat ihm gesagt, dass die Mutproben Teil eines Wettbewerbs seien, den es in Wirklichkeit gar nicht gab. «Er hat ihm immer wieder mit der Kündigung der Freundschaft gedroht, falls das Opfer nicht an den Spielen mitmachte», so die Staatsanwältin. «Dabei hat er seine Chefrolle ungeniert ausgenutzt.»
In die Psychiatrie statt ins Gefängnis
Die Staatsanwältin verlangt eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und vier Monaten. Die Strafe sei zugunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben. Der Beschuldigte soll also in eine geschlossene psychiatrische Klinik kommen statt ins Gefängnis. «Der Psychiater hat bei ihm eine Persönlichkeitsstörung, eine unterdurchschnittliche Intelligenz sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert.» Ohne Therapie sei das Rückfallrisiko gross, dies habe der Messervorfall in der Justizvollzugsanstalt Solothurn gezeigt.
«Das Opfer wurde lebendig begraben»
Als Tatmotiv nennt die Staatsanwältin Neid und Eifersucht. Neid über das angeblich bessere Leben seines Freundes. Eifersucht, weil der Freund andere Kollegen suchte. Es sei ein klarer Mord und versuchter Mord gewesen. «Wie grausam muss der Tod gewesen sein?», fragt die Staatsanwältin. «Das Opfer wurde lebendig begraben.» Es hatte Angst, war verzweifelt und lag völlig hilflos während Stunden in der Höhle. «Das Verhalten war eiskalt.» Der Täter habe absolut grausam gehandelt. Dass er nach der Tat einen Cervelat neben der Höhle brätelte, während der Freund in der zugeschütteten Höhle Todesängste ausstand, sei haarsträubend.
Den Freund den Berg «hinuntergeschubst»
Nun kommt die Staatsanwältin auf den versuchten Mord im Kanton Tessin zu sprechen. «Das Opfer blieb wie durch ein Wunder beim Abhang stecken und hat den Rega-Helikopter mit seinem Smartphone alarmiert.» Der Beschuldigte habe in der Untersuchung zugegeben, den Freund «geschubst» zu haben — aus Wut und Eifersucht. Später distanzierte er sich von seinen Aussagen und sprach davon, das Opfer sei ausgerutscht. «Das ist eine Schutzbehauptung», so die Staatsanwältin.
Erfrierendes Opfer zog T-Shirt in der Höhle aus
Der zweite Prozesstag beginnt mit dem Plädoyer der Staatsanwältin. Sie beschreibt die Rolle der beiden damaligen Freunde. Der Beschuldigte habe seine Chefrolle ungeniert ausgenutzt. Das Opfer konnte oder wollte sich anfänglich nicht von ihm lösen, rang sich aber allmählich langsam durch, weniger Zeit mit dem Beschuldigten zu verbringen. «Zu Neid kam nun die Eifersucht», so die Staatsanwältin. Deshalb habe der Freund sterben müssen. Das Opfer habe noch mehrere Stunden in der Höhle gelebt, ehe es erfror. «Der junge Mann hatte kurz vor dem Tod noch ein paradoxes Wärmeempfinden», sagt die Staatsanwältin, «sein T-Shirt hat er ausgezogen, es lag neben der Leiche.»
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Am ersten Prozesstag beim sogenannten «Höhlenmord» vom Bruggerberg im April 2019 gab sich der heute 23-jährige Beschuldigte zu fast allen Vorwürfen ahnungslos. Auf die Fragen des Richters sagte er immer wieder: «Ich weiss nicht.» Er ist aber grundsätzlich geständig. Die Fragen beantwortete er per Video aus einem separaten Raum heraus, weil er Angstzustände geltend gemacht hat.
Der Beschuldigte ist von der Justizvollzugsanstalt Solothurn nach Lenzburg verlegt worden, weil er einem Insassen mit der stumpfen Seite eines Messers «eine an den Hals gehauen hat». Dies, weil ihn der Insasse angehustet und seine Mutter beleidigt hat.
Laut dem Gerichtspsychiater hat der Beschuldigte eine unterdurchschnittliche Intelligenz, eine Persönlichkeitsstörung und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Die Schuldfähigkeit sei aber nicht eingeschränkt.
Die Rechtsmedizinerin sagte, dass das Opfer sicher noch 16 bis 24 Stunden in der Höhle überlebte, bevor es an Unterkühlung starb.
Am Dienstag werden ab acht Uhr die Plädoyers des Verteidigers, der Staatsanwältin und der Opferanwälte erfolgen.
«16 Jahre sind schon gerecht»
Zum Schluss fragt der Richter, wie er seine Zukunft sehe. «Eine Ausbildung machen und dann eine Therapie absolvieren.» Aber eins nach dem anderen, nicht von null auf hundert. Zum geforderten Strafmass von 16 Jahren, welche die Staatsanwältin verlangt, sagt er: «Das ist schon gerecht, ich habe etwas Schlimmes getan.»
«Hilf mir, lass mich frei»
Der Richter zitiert weiter aus den Untersuchungsprotokollen. «Hilf mir, lass mich frei. Rufe die Rega an», soll das Opfer aus der Höhle geschrien haben. Es habe Panik und Angst gehabt. Auch hier gibt sich der Beschuldigte ahnungslos: «Ich weiss nicht mehr.»
Nach der Tat hat er dann ein Feuer gemacht und einen Cervelat gebraten. «Warum?», fragt der Richter. «Wahrscheinlich weil ich Hunger hatte», antwortet er. Dass er einen Tag später bei der Kontrolle der Höhle Klopfgeräusche gehört hat, will er nicht mehr wissen.
Rückblickend sagt er zum Mord: «Es ist eine grausame Geschichte, die da passiert ist.»
«Weiss nicht mehr, was an diesem Abend vorgefallen ist»
Zum konkreten Fall befragt, sagt der Beschuldigte: «Es ist zu kompliziert für mich, ich weiss nicht, was ich sagen soll.» Sie hätten immer wieder «Challenges» gemacht, eine Art Mutproben. Er habe dies auch mit alten Schulkollegen gemacht, nicht nur mit dem späteren Opfer.
An diesem letzten Tag hat ihm das Opfer noch WhatsApp-Nachrichten mit sinngemäss folgendem Inhalt geschickt: «Es ist eine schöne Zeit gewesen, aber es ist traurig, dass wir uns nicht mehr sehen werden. Es ist schade, aber heute müssen wir es noch geniessen.» Sie hätten dann noch eine letzte «Challenge» gemacht. Worin dann die Mutprobe bestanden habe, will der Richter wissen. «Zehn Minuten in der Höhle zu sein», sagt der Täter.
Der negative Impuls für die Tat habe damit begonnen, als das Opfer sich weigerte, in die Höhle zu gehen, zitiert der Richter die Untersuchungsakten: «Nun ist der Zeitpunkt da. Ich dachte mir, dass ich mich rächen muss.» Am heutigen Prozess will der Beschuldigte von all den Aussagen nichts mehr wissen und gibt sich ahnungslos. «Ich weiss nicht mehr, was an diesem Abend alles vorgefallen ist.»
«Ich bin ein einsamer Wolf»
Dass er trotz Therapie in der Strafanstalt wieder rückfällig geworden ist, gesteht er. «Irgendetwas stimmt mit mir nicht», sagt er. «Ich bin ein einsamer Wolf.» Er sei gerne allein und brauche Rückzugsmöglichkeiten. Er weiss nicht, wieviele Male er in der Vergangenheit verurteilt worden ist. Er hat in geschützten Arbeitsplätzen gearbeitet und eine IV-Rente mit Ergänzungsleistungen erhalten, das Finanzielle habe sein Beistand geregelt.
Insassen mit Messer an Hals geschlagen
Nach der Pause werden die Aussagen des Beschuldigten per Video aus einem anderen Raum übertragen. Er hat lange Haare, trägt eine Brille, eine rote Jacke und ein gelbes T-Shirt sowie eine Corona-Schutzmaske. Die Polizisten nehmen ihm die Handschellen ab.
Er ist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg. Er arbeitet zwischendurch und hat am Montag Schulunterricht. «Psychisch geht es mir schlecht, ich liege viel herum.» Er ist von Solothurn nach Lenzburg verlegt worden, weil er einem Insassen mit der stumpfen Seite eines Messers «eine an den Hals gehauen hat.» Der Grund: «Er hat mich angehustet und meine Mutter beleidigt.» Der Insasse habe ihn über Monate hinweg provoziert, dann habe es ihm abgelöscht, sagt er. Der Vorfall hat sich Mitte Mai in der Gemeinschaftsküche der JVA Solothurn stattgefunden.