Anklage gegen Donald Trump – «Pence könnte der Schwachpunkt sein»

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USA«‹House of Cards› wirkt langweilig neben der Serie, die Trump uns wieder liefert»

Auftakt in Washington im Verfahren gegen Donald Trump wegen versuchter Verschwörung. Ein Interview über Schwere und Folgen der historischen Anklage.

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Strafverfahren auf höchster Ebene: Ex-Präsident Donald Trump muss sich wegen versuchter Einflussnahme auf das Wahlergebnis 2020 und seiner Rolle beim Sturm aufs Capitol am 6. Januar verantworten. 

Strafverfahren auf höchster Ebene: Ex-Präsident Donald Trump muss sich wegen versuchter Einflussnahme auf das Wahlergebnis 2020 und seiner Rolle beim Sturm aufs Capitol am 6. Januar verantworten. 

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Die Anklage umfasst vier Punkte.

Die Anklage umfasst vier Punkte.

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Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zum Betrug an den USA sowie Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte zu hindern.

Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zum Betrug an den USA sowie Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte zu hindern.

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Darum gehts

  • Die bislang wohl gefährlichste Anklage gegen Donald Trump steht. Er muss deswegen am Donnerstag in Washington D.C. vor Gericht erscheinen. 

  • Laut USA-Experte Josef Braml geht es «wirklich ums Eingemachte».

  • Im Interview erklärt er, wieso Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl 2020 weiter verfängt, was für Folgen die Anklage hat und wieso er in diesem Prozess besonders auf den ehemaligen Vizepräsident Pence achten wird. 

In Washington, D.C. wird Donald Trump an einer öffentlichen Anhörung vor Gericht erwartet. Anlass sind die Anklage wegen versuchter Einflussnahme auf das Ergebnis der US-Wahl 2020 und Trumps Rolle rund um den Sturm seiner Anhänger aufs Capitol am 6. Januar 2021. 

Am Dienstag hatte das Team von Sonderermittler Jack Smith eine 45-seitige Anklageschrift gegen Trump veröffentlicht, die es in sich hat (siehe Bildstrecke). Über die Schwere der historischen Vorwürfe und die Folgen haben wir mit US-Experte Josef Braml gesprochen.  

Herr Braml, was sagen Sie zum Auftakt in Washington gegen Donald Trump?

Er nutzt die Klage für den Wahlkampf und kann so seine Lüge festigen: Dass man ihm, dem eigentlich «rechtmässig» gewählten Präsidenten, einmal mehr etwas anhängen will. Das nehmen ihm die Wähler ab: Trump ist nach wie vor der Favorit im Lager der Republikaner, während die andere Seite ein Problem für die amerikanische Demokratie sieht. Denn es geht ums Eingemachte – ein amtierender Präsident versuchte, seine Abwahl mit allen rechtmässigen und unrechtmässigen Mitteln zu verhindern.

«Die aktuelle Anklage, bei der es wirklich um alles geht, ist für viele nur noch ‹more of the same›.»

Josef Braml

Wieso verfängt Trumps Narrativ noch immer bei so vielen republikanischen Wählenden?

Das liegt auch daran, dass alle anderen Anklagen Trump nicht dingfest machen können, sondern im Gegenteil sein Narrativ bedienen. So kann er trotz aller Prozesse in den Umfragen zulegen und aus der Wahlkampffinanzierung richtig Kapital schlagen. Selbst die Anklage wegen der gebunkerten Geheimdokumente in Mar-a-Lago verfängt in den Augen der Wählerinnen und Wähler nicht, da auch Präsident Joe Biden Geheimdokumente bei sich zu Hause gelagert hatte. Die aktuelle Anklage in Washington, D.C., bei der es wirklich um alles geht, ist für viele republikanische Wähler und Wählerinnen mittlerweile nur noch «more of the same». 

Was für Folgen wird die Anklage haben?

Wenn man Trump juristisch damit nicht dingfest machen kann, wird er daraus politisch gestärkt hervorgehen. Sollte man ihm wirklich das Handwerk legen, wird ein neues Spiel gespielt – aber selbst dann wird Trump aus dem Gefängnis heraus kandidieren können. Tatsächlich wirkt die Netflix-Serie «House of Cards» langweilig neben der neuen Serie, die Trump uns da wieder liefert. 

«Mike Pence könnte der grosse Schwachpunkt in Trumps Erzählung sein.»

Josef Braml

Kann Sonderermittler Jack Smith es mit Trump aufnehmen?

Das kann ich nicht beurteilen. Mein Augenmerk liegt mehr auf dem ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence. 

Weil Mike Pence’ Aussage in der Sache Trump stark belastet?

Ja. Pence könnte der grosse Schwachpunkt in Trumps Erzählung sein. Immerhin hat Trump ihn als Verräter stigmatisiert, der letztlich seine Wiederwahl verhindert habe. Der Mob wurde am 6. Januar 2021 damit so aufgestachelt, dass der damalige Vizepräsident um sein Leben fürchten musste. Auf Leute wie Pence werden sich die Ermittler stützen. Pence müsste mehr Charakterstärke haben als die meisten anderen Republikaner – aber vielleicht wird auch er vor Trump und dessen Republikanern einknicken. 

«Wer sich gegen Trump stellt, kann ein jähes politisches Ende nehmen.»

Josef Braml

Könnte die Anklage in Washington dazu führen, dass sich Teile der republikanischen Partei von Trump abwenden?

Nein. Im Gegenteil. In der republikanischen Partei entsteht jetzt eine Wagenburgmentalität** und man wird die Demokraten weiterhin mit dem Narrativ angreifen, wonach Präsident Biden das Justizministerium nutzt, um seinen härtesten Rivalen kaltzustellen. (**Gem. Duden: Mentalität einer Gruppe von Menschen, «die dadurch gekennzeichnet ist, dass diese sich von allen Seiten bedroht fühlen und sich daher abkapseln».)

Was ist mit Trumps parteiinternen Rivalen?

Selbst seine härtesten Rivalen müssen sich hinter Trump stellen, um mit Blick auf die anstehenden Vorwahlen bei der Kernwählerschaft zu punkten. Da traut sich niemand aus der Deckung. Es hat sich ja zur Genüge gezeigt: Wer sich gegen Trump stellt, kann durch seinen Fingerzeig ein jähes politisches Ende nehmen.

*Dr. Josef Braml ist USA-Experte und Autor des Buches «Die transatlantische Illusion». 

Verlag C-H- Beck/ Chbeck.de

«Die transatlantische Illusion»

«Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wirkt der Westen geschlossen wie lange nicht. Doch die Weltmacht ist angeschlagen. Sie wird sich zunehmend auf ihr nationales Interesse und die Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Zu glauben, die USA würden unsere Interessen auch in Zukunft mitvertreten, ist die transatlantische Illusion. Der USA-Experte Josef Braml analysiert unsere geopolitische Lage und zeigt, warum wir selbstständiger werden müssen: militärisch, politisch,  wirtschaftlich.» (Verlag C.H. Beck)

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