Filigranes Handwerk: «Ich bin ein Kunstaugenmacher»

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Filigranes Handwerk«Ich bin ein Kunstaugenmacher»

Die Herstellung von Augenprothesen erfordert grosse manuelle Fertigkeiten. Karl-Ludwig Martin aus Luzern geht diesem Handwerk mit grosser Leidenschaft nach.

Claudio Zanini
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Claudio Zanini

Der Verlust eines Auges bedeutet nicht nur eine Einschränkung der Sinne: Es ist auch ein entscheidender Eingriff in die persönliche Erscheinung. In der Schweiz sind 0,1 Prozent der Einwohner davon betroffen. Für diese sind Otto-Ernst und Karl-Ludwig Martin da: Sie führen das Schweizerische Kunstaugen-Institut in Luzern in fünfter Generation. Die Vorfahren der Martins haben bereits zwischen den beiden Weltkriegen Augenprothesen in der Schweiz hergestellt.

Karl-Ludwig Martin (57) bezeichnet seinen Beruf als «Kunstaugenmacher oder Augenprothetiker». Das Kunstaugen-Institut stellt sowohl Prothesen aus Glas als auch solche aus Kunststoff her. Dass auch nach 150 Jahren immer noch Kunstaugen aus Glas hergestellt werden, hat verschiedene Gründe: Sie zerkratzen nicht und haben eine glatte und benetzbare Oberfläche. Zudem ist die Pflege unkompliziert. Sie müssen nicht halbjährlich von einem Fachmann poliert werden.

Nicht Kugel, sondern Schale

Das Handwerk des Kunstaugenmachers erfordert jahrelange Erfahrung und besonderes handwerkliches Geschick. «Die Berufsbezeichnung ist – wie etwa bei Architekt – nicht geschützt», sagt Martin. Er hat das Handwerk in der Praxis seines Vaters erlernt. In Deutschland gibt es dafür eine 7-jährige Ausbildung, in der Schweiz aber nicht.

Die gesamte Arbeitszeit für eine einzelne Augenprothese beträgt rund fünf Stunden. Dazu gehört nicht nur die individuelle Anpassung der Form und Grösse im Beisein des Patienten, sondern auch die Vorbereitungszeit mit der Herstellung von unzähligen Farbstengeln in hunderten von Farbnuancen. Auch die Beratungen seien zeitintensiv. Denn: Das Kunstauge soll laut Martin möglichst unauffällig sein. «Aber es ist auch nicht unser Anspruch, ein Auge komplett zu ersetzten. Das ist nicht möglich.»

Der Arbeitsablauf sieht so aus: Zuerst wird eine Glaskugel hergestellt. Danach wird die individuelle Iriszeichnung mit farbigem Glas nachempfunden. Das fertige Glasauge ist keine Kugel: «Im Grunde ist es eine Schale oder eine Halbkugel.»

Nachfrage nach Augenprothesen nicht mehr so hoch

Doch wie ist die Arbeit unter ständiger Beobachtung von täuschend echten Augen? «Das werde ich immer wieder gefragt. Aber ich sehe die Augen vor allem als ein Hilfsmittel für Menschen.»

Dank medizinischer Fortschritte würden immer weniger Augenprothesen benötigt: «Das ist eine gute Entwicklung: Bei immer mehr Menschen kann das Augenlicht dank neuen Operationstechniken gerettet werden.»

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