Zoo Zürich-Direktor: «Ich bin traurig, schockiert und frustriert»

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Zoo Zürich-Direktor«Ich bin traurig, schockiert und frustriert»

Gleich drei Elefanten starben in den letzten Wochen am Herpesvirus. Die Todesfälle treffen ihn und die Mitarbeitenden hart, sagt Zoodirektor Severin Dressen im Interview. 

von
Daniel Krähenbühl
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Severin Dressen trat im Juli 2020 mit 32 Jahren die Nachfolge von Alex Rübel als Direktor des Zoo Zürich an. 

Severin Dressen trat im Juli 2020 mit 32 Jahren die Nachfolge von Alex Rübel als Direktor des Zoo Zürich an. 

Tamedia/Urs Jaudas
Innert weniger Wochen erkrankten und starben drei Elefanten am Herpesvirus: Umesh (2) mit seiner grossen Schwester Omysha (8) …

Innert weniger Wochen erkrankten und starben drei Elefanten am Herpesvirus: Umesh (2) mit seiner grossen Schwester Omysha (8) …

Zoo Zürich, Enzo Franchini
… sowie die fünfjährige Elefantenkuh Ruwani (vorne), hier auf dem Bild mit ihrer Grossmutter Ceyla-Himali (links) und ihrer Mutter Farha.

… sowie die fünfjährige Elefantenkuh Ruwani (vorne), hier auf dem Bild mit ihrer Grossmutter Ceyla-Himali (links) und ihrer Mutter Farha.

Zoo Zürich, Enzo Franchini

Darum gehts

Grosse Trauer im Zoo Zürich: Innert weniger Wochen verliert der Zoo drei Elefanten an das Herpesvirus: Am Samstagmorgen verstarb die fünfjährige Elefantenkuh Ruwani an den Folgen der durch das Elephant Endotheliotropic Herpes Virus (EEHV) ausgelösten Erkrankung. Zuvor starben das Elefantenbaby Umesh (2) und die Elefantenkuh Omysha (8) im Zoo Zürich. 

Herr Dressen*, in den letzten drei Wochen sind gleich drei Elefanten verstorben. Wie geht es ihnen?

Ich glaube, mir geht es wie wahrscheinlich vielen anderen Mitarbeitenden im Zoo und Teilen der Bevölkerung: Ich bin traurig, ein stückweit schockiert – und frustriert. Der Frust ist riesig, weil ich weiss, dass wir ein unglaublich gutes Team hatten und alles versuchten, die Tiere zu retten. Die Tierärzte im Universitären Tierspital Zürich gehören zu den besten auf der Welt, doch trotz all dieser Ressourcen ist man machtlos gegenüber diesem Virus. 

Das grosse Interesse und die Anteilnahme in den letzten Tagen hat uns sehr gefreut. Unsere E-Mail-Postfächer quollen über und auf den sozialen Medien nahmen die Userinnen und User im Sekundentakt digital Abschied.

Wie gehen die Mitarbeitenden mit den Todesfällen um?

Gerade die Tierpflegerinnen und Tierpfleger im Elefantenbereich kennen die Tiere zum Teil seit Jahren oder gar Jahrzehnten. Ihnen gehen die Todesfälle extrem nahe, obwohl sie auf einer rationalen Ebene wissen, dass das passieren kann. Einige der Pflegenden haben bereits Ende der 90er-Jahre ähnliche Erfahrungen machen müssen, emotional nimmt sie das trotzdem stark mit. Das Team hat in den letzten Wochen unglaubliches geleistet und rund um die Uhr gearbeitet. Das Monitoring der Elefanten mittels regelmässiger Blutwertkontrollen war sehr personalintensiv, darum sind einige sogar aus den Ferien zurückgekehrt.

«Einige Tierpflegerinnen und Tierpfleger sind sogar aus den Ferien zurückgekehrt.»

Severin Dressen

Die Therapie mit antiviralen Medikamenten hat bei Ruwani nicht funktioniert. Gibt es Hoffnung auf eine baldige Impfung?

Die Zoogemeinschaft ist international und vor allem in Europa sehr eng vernetzt. Etwa der Chester Zoo in England hatte vor einigen Jahren einen Mehrfachverlust zu beklagen und führt derzeit eine Impf-Studie durch. Verschiedene Institutionen in den USA, Deutschland und England forschen intensiv an einer Lösung – doch wann der Durchbruch gelingt, ist schwierig zu sagen. 

Was ist mit den Elefanten nach ihrem Ableben passiert?

Bei sozialen Tieren wie Elefanten oder etwa Affen ist es so, dass sich die Familien- oder Gruppenmitglieder von den verstorbenen Tieren verabschieden können. Wir belassen das tote Tier für einige Zeit in der Gruppe. Dieser Verarbeitungsprozess ist sehr wichtig, die Gruppe muss realisieren, dass ein Familien- oder Gruppenmitglied tot ist. Sonst suchen sie noch tagelang nach dem Tier, was Stress auslöst.

Und danach?

Grundsätzlich werden alle Tiere nach dem Tod von Pathologen untersucht. Bei den drei Elefanten ist diese Untersuchung ausführlicher als sonst. Es wurden viele Proben entnommen, um den Krankheitsverlauf und die Krankheit besser zu verstehen. So können wir die Forschung unterstützen und vielleicht etwas zur Entwicklung der Impfstoffe beitragen. Anschliessend werden die Tiere kremiert. Eine Beerdigung oder ein Abschiedsritual gibt es nicht. Wir sind eine wissenschaftliche Institution, das würde zu weit gehen.

Nach dem Todesfall von Omysha äusserte die Fondation Franz Weber den Vorwurf, dass die Tiere krank wurden, weil sie in Gefangenschaft chronischen Stress erlebten. Was sagen Sie dazu?

Die Vorwürfe zeigen, dass die Stiftung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat: Das Herpesvirus kommt bei allen Elefanten vor – auch in freier Wildbahn. Und auch dort erkranken und sterben Jungtiere am Virus. Diese tragischen Verluste für ihre Kampagnen zu instrumentalisieren, hake ich unter Marketing und Populismus ab.

Das Virus traf den ganzen Nachwuchs der beiden Elefantenfamilien. Wie geht es jetzt im Zuchtprogramm weiter?

Wir haben eine der modernsten Elefantenhaltungen in Europa, konnten in der Geschichte unglaubliche Erfolge in der Haltung und Zucht vorweisen und tragen dazu bei, dass es in Europa eine Reservepopulation dieser Tiere gibt. Die Todesfälle sind aber ein schwerer Schlag für die europäische Erhaltungszucht der bedrohten Asiatischen Elefanten. Die beiden Elefantengruppen sind matriarchalisch organisiert und können daher nur durch Geburten wachsen – nicht durch externe Zugänge. Wir werden jetzt mit dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm über die Bücher und schauen, ob wir mit beiden oder nur einer Gruppe weiterzüchten. Wir werden aber ganz sicher weitermachen. 

Wie gefährlich ist das Virus für die restlichen Elefanten?

Farha ist mit 17 Jahren der jüngste Elefant im Zoo Zürich. Wir gehen davon aus, dass für die fünf verbliebenen Elefanten daher ein geringes Erkrankungsrisiko besteht. Am anfälligsten sind die Tiere zwischen dem zweiten und achten Altersjahr: In dieser Zeit lässt der Schutz durch die Antikörper der Mutter nach, gleichzeitig hat das eigene Immunsystem unter Umständen noch keine eigenen Antikörper gebildet. Zu 100 Prozent ausschliessen, dass sich weitere Tiere anstecken, können wir aber nicht. Daher werden alle Elefanten auch weiterhin medizinisch überwacht. 

«Ich bin kein abergläubiger Mensch, aber es ist Pech.»

Severin Dressen

Am Freitag brach im Zoo ein Feuer aus, einen Tag später mussten sie den Tod des dritten Elefanten bekanntgeben. Sind Sie ein Pechvogel?

Ich glaube, dass man die beiden Fälle trennen muss. Beim Feuer, wo ja glücklicherweise nur ein geringer Sachschaden entstand, ermittelt die Feuerwehr derzeit die Brandursache. Und wie gesagt ist es schwierig, praktisch auf einmal drei Tiere zu verlieren. Ich bin kein abergläubiger Mensch – aber es ist Pech, es ist ein Unglück und frustriert. Über die letzten zwei Jahre überwiegen jedoch die positiven Momente massiv. Wir durften etwa verschiedene Erfolge in der Tierhaltung feiern und eine neue Zuchtstation für bedrohte Vögel eröffnen. Zudem haben wir mit dem Entwicklungsplan 2050 grosse Pläne: Analog zur Masoala-Halle oder der neuen Savanne wollen wir elf Lebensräume schaffen. Wir hoffen bald mit dem Bau des nächsten Lebensraumes, der Pantanal Voliere, beginnen zu dürfen.

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