Eis go zieh mit … Erich Hess: «Ich habe ein dickes Fell entwickelt»

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Eis go zieh mit … Erich Hess«Ich habe ein dickes Fell entwickelt»

Lange belächelt, jetzt Nationalrat: Mit seinem Erfolg verblüfft Erich Hess Freund und Feind. Ein Gespräch über die SVP, die Frauen und seine Igeli-Frisur.

von
D. Waldmeier

Erich J. Hess, 34-jährig, aufgewachsen in Zollbrück im Emmental, trägt einen dunklen Anzug, Krawatte und einen Pin mit dem Berner Kantonswappen am Revers, als er das Restaurant Parlament betritt. Alle nennen ihn nur «Erich» hier. Er bestellt einen Espresso und ein Mineral, seine Augen sind klein. «Streng» sei die Nacht gewesen, wird er später sagen, er habe noch ein, zwei Gläser mit Ratskollegen getrunken. Trotzdem ist er bester Laune.

Der SVP-Politiker hat auch allen Grund dazu. Im Herbst hat er mit 91'106 Stimmen überraschend die Wahl ins Bundeshaus geschafft – zum Entsetzen seiner Gegner. Hinter vorgehaltener Hand rümpfen sie die Nase darüber, mit wem sie sich da im neuen Parlament herumschlagen müssen. Die «Berner Zeitung» sah sich genötigt, einen Erklärungsversuch für das Phänomen Hess zu liefern. Er sei der «uneitelste Politiker der Schweiz», so die Diagnose.

Peinlichkeiten pflastern den Erfolgsweg

Dies mag treffend sein – nicht nur wegen seiner pflegeleichten Igeli-Frisur, die längst zu einem Markenzeichen geworden ist (Coiffeur Wyss, Schüpfen BE, Maschinenschnitt, 20 Franken). An seinem ersten Tag als Nationalrat riss sich Hess an der Türe zur Raucherterrasse den Finger auf, sodass Blut floss. Tags darauf war er sich nicht zu schade, die Szene für ein «Blick»-Video nachzustellen. Zum Malheur sagt er: «Ich klemme mir die Finger sicher nicht nochmals ein. Man lernt aus Fehlern.»

Lehrgeld hat Hess genügend bezahlt. Schon vor seiner Wahl in die Grosse Kammer hat er nationale Bekanntheit erlangt, weil sich die halbe Schweiz über ihn lustig gemacht hat. Unvergessen ist, wie er einem Reporter einer deutschen Satiresendung auf den Leim kroch und vorgeführt wurde (Video unten). Bis auf die Knochen blamiert hat sich Hess auch bei seinem Auftritt in der TV-Show von Pornoproduzent J.P. Love, wo er eine Sexpuppe aus Gummi über dem Kopf balancieren musste.

Doch Spott und Häme werfen Hess nicht um – im Gegenteil. Es gehört zu seinen Prinzipien, nie aufzustecken. Wenn er sich alles zu Herzen nehmen würde, was über ihn gesagt oder geschrieben werde, könnte er gar nicht mehr weiterleben, meint der Lastwagenfahrer schulterzuckend. «Ich habe ein dickes Fell entwickelt.»

«Hess wirbelt an drei Fronten»

Wer Hess nun einfach als bunten Hund belächelt, unterschätzt ihn. Im Moment ist er der wohl aktivste Politiker der Schweiz: Er sitzt im Berner Stadtrat, im Grossen Rat und im Nationalrat – und kämpft damit auf allen Ebenen des Systems für seine Überzeugungen.

Schon mit 16 Jahren trat er der SVP bei. Nicht, weil er aus einer politischen Familie stammte, sondern weil er sich aufregte: über die EU-Turbos im Land, über die immer neuen Gesetze, über die hohe Zuwanderung. Er habe «nicht einfach die Faust im Sack machen wollen».

«Ich bin für mein Alter schon sehr lange am Politisieren und habe angerissene Sachen ‹gäng öppe› zustande gebracht», sagt Hess nicht ohne Stolz. Er besetze Themen, die von anderen nicht besetzt würden, solche auch, «die den Leuten unter den Fingernägeln brennen». Bei seiner Einbürgerungsinitiative stand er im Kanton Bern allein auf weiter Flur – und brachte die Verschärfungen an der Urne dennoch durch. Das Programm führt er auf nationaler Ebene weiter: In seinem ersten Vorstoss im Nationalrat will er die Doppelbürgerschaft für Eingebürgerte abschaffen.

Der Instinktpolitiker

Auch die Netze an Berner Brücken gehen auf einen Vorstoss von Hess im Stadtparlament zurück. Die Idee kam ihm, nachdem er auf dem Nachhauseweg im Tram Zeuge eines Suizids bei der Kirchenfeldbrücke wurde. «Heilandsack», habe er gedacht, sei bei der nächsten Station ausgestiegen und zurück über die Brücke gegangen. «Er lag kaputt unten auf der Strasse.»

Das Erlebnis hat Hess, den Instinktpolitiker, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, nicht mehr losgelassen. Jetzt, da die Suizidnetze endlich hängen, ist Hess zufrieden. «Jedes Jahr sprangen zehn Personen von der Brücke, viele im Affekt. Deshalb verlagern sich die Selbstmorde nicht einfach an andere Orte.»

«Ich bin manchmal ein bisschen ein Pflock»

Weniger rund als in der Politik läuft es bei Hess privat. Der Lastwagenfahrer ist single, auch wenn kurz vor den Wahlen ein Foto aufgetaucht ist, das ihn mit einer jungen Thailänderin im Pool zeigt. Laut Hess handelt es sich nur um eine Kollegin. «Das Foto wurde von links-grüner Seite gestreut, um mir zu schaden.»

Seine Traumfrau müsse man vielleicht erst noch basteln, meint Hess, ist aber auch selbstkritisch: «Ich bin ein bisschen ein Pflock. Oft merke ich gar nicht, wenn eine Frau ein Auge auf mich geworfen hat.» Mit dem Wahlkampf und seinen Firmen – Hess ist in das Immobiliengeschäft eingestiegen – habe er aber auch kaum Zeit gehabt. Auch seine Hobbys, Töfffahren und Golf, hat er auf Eis gelegt. Hess lebt ganz für die Politik, für den Kampf gegen die Linken, für die er wie kaum ein anderer ein rotes Tuch ist.

Das ZDF führte Erich Hess an der Nase herum:

«Eis go zieh mit...»

Während den Parlamentssessionen trifft sich 20 Minuten jeweils mit Politikern verschiedener Parteien auf ein Bier. Oder auch auf ein Glas Wein, einen Kaffee oder einen Himbeersirup. Hauptsache, es entstehen spannende Gespräche, die auch einen Einblick in die Persönlichkeiten hinter der politischen Arbeit erlauben.

Fünf Fragen an Erich Hess

Ihr erster Job?

Lastwagenführer

Das letzte Mal betrunken?

am letzten Eishockey-Match des SCB

Wie glücklich sind sie von eins bis zehn?

sieben

Was würden Sie mit einer Million machen?

gut anlegen

Das letzte Mal gespendet?

diesen Monat der Jungen SVP

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