Im Nikab vor der Klasse: «Ich hätte der Lehrerin davon abgeraten»

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Im Nikab vor der Klasse«Ich hätte der Lehrerin davon abgeraten»

An der Berufsschule in Bern hat eine Lehrerin voll verschleiert aus dem Koran vorgelesen. Eine unglückliche Wahl, finden Politiker.

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Die ungewöhnliche Unterrichtsmethode der Lehrerin.

Der Allgemeinbildungsunterricht an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern war am Donnerstag ungewöhnlich: Die Lehrerin trat voll verschleiert vor die Hochbauzeichner-Klasse und las die erste Sure aus dem Koran vor. Daraufhin spielte sie Gebetslieder ab. «Sowas gehört sich meiner Meinung nach nicht und sollte nicht toleriert werden», tönt es aus der Schülerschaft. Der stellvertretende Direktor der Schule, Daniel Hurter, erklärte, dass die Lehrerin am Donnerstag mit ihrer Klasse das Thema Islam behandeln wollte. Dies in Bezug auf das Buch «Drachenläufer» des afghanisch-amerikanischen Autors Khaled Hosseini, das die Klasse derzeit liest. Es seien auch Themen wie die Geschichte Afghanistans behandelt worden.

«Grundsätzlich ist realitätsnaher Unterricht etwas Gutes. Man kann so Schüler erreichen, die man vielleicht sonst nicht erreicht», sagt Stefan Wittwer, stellvertretender Geschäftsführer von Bildung Bern. In diesem Fall sei es schwierig, die Situation zu deuten. Es müsse eine kritische Auseinandersetzung stattfinden und die Vor- und Nachbereitung spiele auch eine Rolle. Wenn die Lehrerin dieses Thema ohne Kontext behandelt und eine solche Unterrichtsmethode gewählt hätte, wäre dies nicht angebracht, so Wittwer.

«Sie hätte besser eine Muslimin eingeladen»

Für den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann ist die Aktion der Lehrerin ein Skandal. «Das ist nicht akzeptabel. Für Frauen, die sich zwangsverschleiern müssen, ist das ein Hohn. Es wird verharmlost.» Für Wobmann haben weder ein Nikab noch der Koran im Allgemeinbildungsunterricht etwas verloren. «Weshalb sollte man den Islam thematisieren? Dafür gibt es den Religionsunterricht.» Gerade der «extreme Islam, der in letzter Zeit immer stärker wird», habe ein anderes Wertesystem und mit Demokratie nichts zu tun. «An der Berufsschule würde man besser Politik unterrichten, damit die Schüler wissen, wie man Petitionen oder Initiativen einreicht», sagt Wobmann.

Die Aargauer Grünen-Nationalrätin Irène Kälin hingegen findet sehr wohl, dass andere Religionen in den Unterricht gehören. «Für mich ist das ein positiver Ansatz, religiöse Gemeinschaften zu thematisieren.» Dafür habe sie volles Verständnis. Dass die Lehrerin allerdings im Nikab auftrat, sei wohl «etwas unsensibel» gewesen. «Es ist ein Symbol, das mit einer ultraorthodoxen Auslegung des Islams in Verbindung gebracht wird, damit könnten die Schüler das Gefühl bekommen, nur voll verschleierte Frauen seien gläubig.» In der Schweiz würden aber nur wenige Frauen wirklich einen Nikab tragen. «Besser wäre es gewesen, die Lehrerin hätte eine Muslimin eingeladen. So wird die Religion auch nicht ins Lächerliche gezogen.»

«Das wäre auch anders gegangen»

«Hätte die Lehrerin mich vorher gefragt, hätte ich ihr davon abgeraten», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer. «Sie wollte eine Diskussion in Gang setzen, das wäre aber auch anders gegangen.» Etwa, indem sie den Nikab einfach mitgenommen und in der Klasse herum gezeigt hätte. «Um den Buddhismus zu thematisieren würde sie ja wohl auch nicht im Mönchsgewand kommen und meditieren.» Dass Religionen hingegen im Unterricht behandelt werden, heisst Aebischer gut. «Für das ist die Schule da.»

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