Jakobsweg: «Ich hatte einfach Lust zu laufen»

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Jakobsweg«Ich hatte einfach Lust zu laufen»

Immer mehr Junge machen sich auf die Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Sie suchen auf dem Jakobsweg nicht die Absolution, sondern sich selbst.

Nicolas Saameli
von
Nicolas Saameli
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John Hofer hat den Jakobsweg im November beendet.

John Hofer hat den Jakobsweg im November beendet.

John Hofer
Den Weg von Diegten BL bis Santiago de Compostela in Spanien hat er zu Fuss zurückgelegt.

Den Weg von Diegten BL bis Santiago de Compostela in Spanien hat er zu Fuss zurückgelegt.

John Hofer
Unterwegs habe er sich Gedanken über das Glück gemacht.

Unterwegs habe er sich Gedanken über das Glück gemacht.

John Hofer

Während Religion im klassischen Sinn bei den Jungen eine immer kleinere Rolle spielt, gibt es eine religiöse Praxis, die stetig zunimmt: Junge Schweizer machen sich auf die Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Der Jakobsweg ruft.

Gehört hat diesen Ruf auch Silvana M. aus Basel. Vor einigen Wochen hat sie ihr WG-Zimmer gekündigt, ihre Sachen bei ihrer Mutter untergebracht und ist nach Genf getrampt. Seitdem ist M. unterwegs – im Moment irgendwo in den Pyrenäen. Am Handy erzählt sie, sie könne nicht genau sagen, wann sie ankommen werde. Das sei aber gerade nicht so wichtig: «Ich lebe unterwegs in den Tag und mache mir nicht zu viele Gedanken.»

«Dieser Weg hat etwas sehr Spirituelles»

Auf eine Äusserung, wieso sie die Pilgerreise überhaupt mache, möchte M. sich nicht festlegen. «Andere haben mir unterwegs lange Geschichten erzählt, wieso sie den Weg angetreten haben», erzählt sie. Sie selber könne das nicht. «Ich hatte einfach Lust zu laufen.»

Was sie auf der Pilgerreise fühle und erlebe, reiche aus, um ein Buch zu füllen, schreibt sie später per SMS. «Wenn ich nach Hause komme, brauche ich wohl nochmal einen Monat, bevor ich mich wieder ans normale Leben gewöhnen kann.» Religiöse Motive seien auf ihrer Pilgerfahrt nicht zentral, aber: «Ich spüre im Moment schon, dass dieser Weg etwas sehr Spirituelles an sich hat.»

Pilgern nach dem Militär

Die erste grosse Reise war der Jakobsweg für John Hofer. Er hat die Pilgerfahrt im November abgeschlossen und ist inzwischen wieder zurück in der Schweiz. «Ich hatte mich im Militär hochgedient. Die Verantwortung für 40 Leute war zwar spannend, liess mir aber dafür manchmal nicht genügend Zeit für mich selber», sagt er. «Der Jakobsweg hat mir die Möglichkeit gegeben, wieder ein wenig in mich hineinzuhorchen.»

Unterwegs habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Ein Fussmarsch, der so lange sei, habe eine meditative Wirkung, sagt er. Die lange Marschzeit lässt laut Hofer viel Raum, um sich Gedanken zu machen. «Auf diesem Weg hat man gute und schlechte Tage. Ich habe dabei gelernt, dass Glück nicht erzwungen werden kann und nur ein Aspekt des Lebens ist.»

«Ein Pilger ist kein Bettelmönch»

Den Weg wie kein Anderer kennt auch Bruder Daniel von der Benediktinergemeinschaft im Kloster Fischingen. Er spendet den Pilgern den Segen und hat den Weg selber schon drei Mal in Angriff genommen. Die Beweggründe für den Pilgerweg haben sich laut ihm im Laufe der Jahre verändert. «Im Mittelalter hatten die Pilger noch einen reliquienverehrenden Anspruch an den Jakobsweg», sagt der Mönch. «Das Prinzip war damals noch einfach: Wenn ich bis Santiago de Compostella laufe, werden mir meine Sünden vergeben.» Heute sei die Reise eher ein Weg zur Selbstfindung, oder zur göttlichen Erfahrung.

Pro Jahr ziehen durch Fischingen ca. 600 bis 1000 Pilger. Die meisten davon seien Junge, die kürzlich ihr Studium abgeschlossen haben oder Leute, die frisch pensioniert worden seien. «Es kommt aber auch immer mal wieder vor, dass jemand hier vorbeikommt, der todkrank ist und auf dem Jakobsweg ein letztes Mal in sich gehen will.» Auch treffe er Leute, die den Weg ohne Geld zurücklegen wollen. Davon rate er aber ab: «Der heutige Pilger ist kein Bettelmönch auf Zeit.»

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