Gewalt gegen Eltern: «In der Nachbarschaft dachte man, wir würden unsere Tochter schlagen»

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Gewalt gegen Eltern«In der Nachbarschaft dachte man, wir würden unsere Tochter schlagen»

Im Corona-Jahr kam es zu mehr Kinder- und Jugendgewalt gegen Eltern, sagen Schweizer Fachstellen. 20 Minuten hat mit einer betroffenen Mutter gesprochen.

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«Sie hatte zu Hause und draussen herumgeschrien und vorher immer die Fenster und Türen geöffnet, sodass die Nachbarn alles mithören können», sagt D.L.

«Sie hatte zu Hause und draussen herumgeschrien und vorher immer die Fenster und Türen geöffnet, sodass die Nachbarn alles mithören können», sagt D.L.

Daniel Karmann/dpa
«In der Nachbarschaft dachte man, wir würden unsere Tochter schlagen.» 

«In der Nachbarschaft dachte man, wir würden unsere Tochter schlagen.»

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«Meine Tochter sperrte sich regelmässig ein und warf Gegenstände herum», sagt D.L. 

«Meine Tochter sperrte sich regelmässig ein und warf Gegenstände herum», sagt D.L.

Sebastian Gollnow/dpa

Darum gehts

  • Laut verschiedenen Fachstellen kam es im Pandemie-Jahr zu einem Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt. Täter war aber oft nicht der Partner oder die Partnerin, sondern das eigene Kind.

  • Eine Mutter erzählt von ihren Erlebnissen.

An- und Herumschreien, Beschimpfen, Drohen, Schlagen: Fachstellen für Opfer häuslicher Gewalt haben in den letzten Monaten vermehrt Meldungen von Eltern erhalten, die von ihren Kindern physische und psychische Gewalt erfahren haben. Eine Mutter aus Zürich, die Opfer dieser Gewalt wurde, hat ihre Geschichte mit uns geteilt:

Mutter D. L.* (43): «Sie ritzte sich sogar in der Schule»

«Seit etwa einem Jahr habe ich zu Hause heftige Auseinandersetzungen mit meiner 12-jährigen Tochter. Ich hatte viele schlaflose Nächte, weil ich nicht wusste, was ich machen soll. Sie hatte zu Hause und draussen herumgeschrien und vorher immer die Fenster und Türen geöffnet, sodass die Nachbarn alles mithören können. In unserer Nachbarschaft dachte man, wir würden unsere Tochter schlagen. Die Schreianfälle zu Hause haben angefangen, als Probleme in der Schule aufgetreten waren. Dabei kam es immer wieder zu Konflikten mit anderen Kindern. Die Klassenlehrer waren mit meiner Tochter überfordert, sie hat ihre Frustration über die schulische Situation zu Hause abgeladen.

Als ich ihr sagte, dass ihr Verhalten in der Schule unpassend ist, wurde sie uns gegenüber aggressiv. Zu Beginn machte sie ihre Hausaufgaben nicht mehr, danach sperrte sie sich regelmässig im Bad ein und warf Gegenstände herum. Es ist auch vorgekommen, dass sie sich aus Wut geritzt hat – sogar in der Schule. Als meine Tochter – unter anderem darum – in ein Sondersetting wechseln musste, unterrichtete ich sie vorübergehend zu Hause. Die Lage wurde aber nicht besser, im Gegenteil. Mir ging es dabei sehr schlecht, die Situation hat unsere ganze Familie belastet. Als Mutter fühlt man sich richtig hilflos.

Wir hätten als Eltern von Anfang an strikte Grenzen setzen sollen.

D.L.

Zu diesem Zeitpunkt haben mein Mann und ich gemeinsam mit unserer Tochter ein pädagogisches Coaching begonnen. Es zeigte sich, dass unser Kind mir und meinem Mann lange nicht vertraut hatte. Sie dachte, wir würden nicht an sie glauben. Seit dem Coaching hat sich die Situation innerhalb der Familie verbessert, und trotzdem muss stets daran gearbeitet werden. Wir hätten als Eltern viel früher reagieren und von Anfang an strikte Grenzen setzen sollen, sodass unsere Tochter versteht, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat.

Inzwischen kommt sie häufiger zu uns, wenn sie über etwas reden möchte. Wenn ich ihr genug Zeit lasse, öffnet sie sich und erzählt uns von ihrem Alltag – sowohl das Gute, wie auch das Schlechte. Wir haben trotzdem noch einen langen Weg vor uns, aber wir hoffen natürlich, dass es mit diesem Neuanfang jetzt besser wird.»

*Name der Redaktion bekannt.

Hast du Probleme mit deinen Eltern oder Kindern?

Hier findest du Hilfe:

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

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