Andrei Norkin: «Ich will nicht ins Gefängnis» – russischer Moderator schweigt zu Rückzug

Publiziert

Andrei Norkin«Ich will nicht ins Gefängnis» – russischer Moderator schweigt zu Rückzug

Der russische TV-Moderator Andrei Norkin hat vor laufender Kamera eine Einschätzung zum Rückzug der Truppen aus Cherson verweigert – weil er sich nicht strafbar machen will. 

Der russische TV-Moderator Andrei Norkin hat vor laufender Kamera eine Einschätzung zum Rückzug der Truppen aus Cherson verweigert – weil er sich nicht strafbar machen will.

20min/sag

Darum gehts

  • Aufgrund staatlicher Gesetze können sich Journalisten und TV-Moderatoren kaum kritisch über die russische Invasion in der Ukraine äussern.  

  • Andrei Norkin hat sich deshalb im Fernsehen geweigert, den russischen Rückzug aus Cherson zu kommentieren. 

  • Seit Kriegsbeginn hat Russland die Pressefreiheit weiter eingeschränkt, Kritikerinnen und Kritikern des Kremls drohen lange Haftstrafen. 

Der russische TV-Moderator Andrei Norkin hat mit einem bemerkenswerten Auftritt in seiner Fernsehsendung für Aufsehen gesorgt. Darin weigert er sich, Stellung zur aktuellen Situation der russischen Streitkräfte in der Ukraine zu beziehen. Norkin begründet seinen Schritt damit, nicht ins Gefängnis zu wollen. Sachlich und ruhig erklärt er, dass ihm andernfalls eine Gefängnisstrafe drohe.

«Ich werde Ihnen gar nichts dazu sagen» 

Hintergrund der bizarren Szenen ist der angekündigte Rückzug der russischen Truppen aus Cherson. In dem Video sagt Norkin: «Falls Sie jetzt von mir erwarten zu erklären, was ich von dieser Situation halte: Ich werde Ihnen dazu gar nichts sagen und ich erkläre Ihnen, wieso. Falls ich den Entscheid unterstütze und sage, dass der Verteidigungsminister richtig handelt, indem er die Truppen abzieht, dann rufe ich öffentlich zur Verletzung von Russlands territorialer Integrität auf.» Darauf würden Norkin mehrere Jahre im Gefängnis drohen, wie er berichtet.

«Andererseits: Wenn ich den Entscheid nicht unterstütze und sage, dass das Verteidigungsministerium falsch gehandelt hat, dann diskreditiere ich öffentlich die Armee.» Auch dafür gäbe es potenziell mehrere Jahre Gefängnis. Da Norkin nicht ins Gefängnis will, zieht er elegant den Kopf aus der Schlinge und sagt: «Also werden wir uns nun einen Beitrag ansehen und dann werde ich an unsere geschätzten Experten übergeben.»

Mit seinem Schweigen zieht sich Norkin geschickt aus der Affäre, gleichzeitig weist er darauf hin, wie den staatstreuen TV-Moderatoren in der Berichterstattung über den Krieg die Hände gebunden sind.

Pressefreiheit in Russland stark eingeschränkt

Die Pressefreiheit in Russland wurde seit Kriegsbeginn noch weiter eingeschränkt, seit 2014 wurden zahlreiche Sender und Medien verboten, sodass fast alle landesweiten Medien regierungstreu berichten. Kritische russische Medien berichten aufgrund der drohenden hohen Strafen aus dem Exil. Immer wieder werden Oppositionelle verhaftet, die Invasion in der Ukraine darf nach wie vor offiziell nicht als «Krieg» bezeichnet werden.

Erst im Oktober ist das Moskauer Anwesen der TV-Prominenten und früheren Präsidentschaftskandidatin Xenia Sobtschak durchsucht worden, kurz zuvor war ihr Mediendirektor festgenommen worden. Die wegen ihrer Kriegskritik bekannt gewordene frühere russische Redaktorin des russischen Staatsfernsehens Marina Owsjannikowa ist nach Angaben ihres Anwalts inzwischen ins Ausland geflohen. In Russland drohten ihr mehrere Jahre Haft. Trotz der Einschränkung der Pressefreiheit äussern sich auch TV-Moderatoren in Russland immer öfter kritisch über die russische Invasion in der Ukraine.   

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

Deine Meinung

103 Kommentare