Priester gegen Lega Nord: «Ich wurde auf der Strasse auch schon angespuckt»

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Priester gegen Lega Nord«Ich wurde auf der Strasse auch schon angespuckt»

Priester Luca Favarin ruft in der Lega-Nord-Hochburg Padua dazu auf, Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Gespräch über Widerstand und die Rolle der Kirche.

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Luca Favarin hilft Asylsuchenden in der Lega-Nord-Hochburg Padua. Dabei wird er ab und zu beschimpft  und manchmal sogar bespuckt. (Screenshot YouTube)

Luca Favarin hilft Asylsuchenden in der Lega-Nord-Hochburg Padua. Dabei wird er ab und zu beschimpft und manchmal sogar bespuckt. (Screenshot YouTube)

Papst Franziskus ruft alle katholischen Gemeinden in Europa dazu auf, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Das findet der italienische Priester Luca Favarin gut – auch wenn er diesem Aufruf schon längst nachgekommen ist. Favarin leitet im norditalienischen Padua eine Hilfsorganisation, die Asylsuchenden Unterschlupf gewährt: Diese fordert Privatpersonen mit leerstehenden Häusern auf, diese an die Kooperative Percorso Vita Onlus (Pfad des Lebens) zu vermieten oder gratis zur Verfügung zu stellen. Bis jetzt konnte der Pfarrer sieben Hausbesitzer für sein Projekt begeistern und 100 Flüchtlinge beherbergen.

Der Gottesmann legt sich dabei mit jenen an, die Flüchtlingen wenig positiv gegenüberstehen: Favarin lebt in Padua, einer Stadt, die von der rechtspopulistischen Lega Nord regiert wird. 20 Minuten hat mit ihm gesprochen.

Pater Luca Favarin, sind Sie schon einmal attackiert worden?

Leider haben ich und meine Mitarbeiter viele Attacken erlebt. Einmal wurde der Zugang zu einem der Häuser mit Ketten versperrt. Es haben mich auch schon Leute auf der Strasse angespuckt oder während Kundgebungen beschimpft. Mir ist bewusst, dass dies wegen der feindseligen Politik passieren kann. Aber wir arbeiten weiter, weil es für uns wichtig ist, diesen Männern und Frauen zu helfen, die in ihren Leben schon viel zu viel verloren haben.

Wie reagieren die Politiker der Lega Nord auf Ihr Projekt?

Es gibt viele Konflikte. Parteimitglieder haben uns mit Bulldozern und Feuer gedroht. Sie schüchtern die Flüchtlinge und unsere Mitarbeiter ein. Einmal haben sie eines der Häuser, in dem Flüchtlinge wohnen, fotografiert und das Bild im Internet veröffentlicht. Dazu schrieben sie, dass darin «Kriminelle» wohnten. Hin und wieder müssen wir die Polizei rufen, um eine Situation zu beruhigen.

Und wie reagiert die Bevölkerung?

Viele sind unserem Projekt gegenüber negativ eingestellt und unterstützen die populistische Position der Lega Nord. Es gibt auch diejenigen, die sich über uns lustig machen oder uns entmutigen wollen. Zum Glück gibt es auch diejenigen, die uns helfen, Essen bringen sowie Kleider und Unterschlupf für Flüchtlinge anbieten. Einige arbeiten sogar als freiwillige Helfer in den Heimen.

Hat sich die Einstellung der Bevölkerung mit der Zuspitzung der Flüchtlingskrise in letzter Zeit geändert?

Seit Monaten fokussiert die politische Debatte, sowohl auf lokaler wie auch auf nationaler Ebene, auf das Problem der Flüchtlinge. Das hat positive wie auch negative Folgen. Auf der einen Seite hat die Fremdenfeindlichkeit zugenommen, auf der anderen Seite ist die Solidarität grösser geworden.

Sie helfen im Namen der Kirche. Stört es Sie, dass andere Kirchgemeinden wenig unternehmen, um den Flüchtlingen zu helfen?

Ich arbeite an diesem Projekt, weil wir Menschen sind, die anderen Menschen helfen. Aus der Perspektive der Kirche sollte die Solidarität nie in Frage gestellt werden, denn sie gehört in die Herzen der Menschen.

Wird der Asylantrag abgelehnt, müssen die Flüchtlinge Italien verlassen. Welche Reaktionen haben Sie da schon miterlebt?

Für diese Menschen ist jeder Abschied ein Drama, das mit viel Schmerz verbunden ist, körperlichem wie auch seelischem. Sie verlassen ihre Heimat im Wissen, dass sie viele Probleme hinter sich lassen, aber auch, dass sie auf neue Schwierigkeiten stossen werden. Wenn diese Menschen lächeln, wissen wir, dass sich viel Leid dahinter versteckt.

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