Frage von Jana an Doktor Sex: Ich pflege seit ungefähr acht Monaten mit einem guten Freund eine reine Sex-Beziehung. Dafür treffen wir uns einmal die Woche. Im Gegensatz zu ihm verliebte ich mich gleich zu Beginn und teilte ihm dies damals auch mit. Bis heute wurde ich die Gefühle für ihn nicht los. Und immer wieder ertappe ich mich beim Wunsch, einmal ganz auspacken und ihm sagen zu dürfen, dass ich mehr von ihm möchte als einfach nur Sex. Er sagte mir aber gleich zu Beginn, dass er erstens für eine Beziehung noch nicht bereit sei und es zweitens bei ihm gefühlstechnisch nicht ausreiche, damit etwas Ernsteres aus unserer Affäre werden könnte. Seither warte ich ab, um zu sehen, was sich ergibt. Langsam halte ich diese Gratwanderung aber nicht mehr aus. Trotzdem traue ich mich nicht, ihn noch einmal darauf anzusprechen. Es würde mir das Genick brechen, ihn deshalb zu verlieren. Was soll ich tun?

Liebe Jana

Mir scheint, dass du diesen Mann zur Leinwand machst, auf die du deine Hoffnungen projizierst. Damit dies gelingen kann, blendest du seine Haltung zu dir und zum Potential, das eure Begegnung für ihn hat, vollständig aus. Obwohl er dir klipp und klar mitgeteilt hat, was aus seiner Sicht möglich ist – beziehungsweise eben nicht – hältst du an deiner Sichtweise fest und wartest ab. Ich frage mich: Worauf? Glaubst du denn vielleicht, dass er eines Morgens aufwachen und tiefe Gefühle für dich haben wird, die es ihm ermöglichen, mit dir eine Liebesbeziehung einzugehen?

Was sich ergeben wird, ist für mich ziemlich klar: Früher oder später wird er sich in eine andere Frau verlieben und die Sexbeziehung mit dir beenden. Oder anders und noch eindeutiger ausgedrückt: In absehbarer Zeit wirst du den Mann verlieren und er wird sich einen Deut darum kümmern, wie es dir damit geht. Trotzdem bist du seinem Handeln nicht völlig ausgeliefert und kannst den weiteren Verlauf eurer Geschichte tatkräftig mitgestalten. Jedoch bedingt dies, dass du dir bewusst wirst, wie du dich durch dein Verhalten von ihm abhängig machst und freiwillig in die Opferrolle begibst.

Dass du diese Gratwanderung langsam nicht mehr aushältst, ist eine gesunde Reaktion auf das Abhängigkeitsverhältnis, in dem du dich befindest. Nun, da du weisst, dass das, was du als «Genickbruch» bezeichnest, sowieso eintreten wird, ist es an der Zeit, dein Unbehagen ernst zu nehmen und wieder Verantwortung für dich zu übernehmen. Gib dir selber deine Würde zurück, denn ausser dir kann dies niemand tun. Ein erster Schritt in diese Richtung kann sein, deinem lang gehegten Wunsch endlich zu folgen: Mach dem Mann klipp und klar, dass du ihn immer noch liebst und nicht mehr länger nur Sex mit ihm haben und in der übrigen Zeit darauf warten willst, was sich ergibt.

Du kannst davon ausgehen, dass er dir kaum etwas anderes sagen wird als das, was du schon weisst. Doch du kannst dich bereits vorher in Ruhe vorbereiten. Hole dir im Vorfeld der anstehenden Konfrontation Unterstützung bei einer Person, die du magst und der du vertraust. Erzähle ihr deine Geschichte und wie du dich dabei fühlst. Bitte sie, dir beizustehen und in der kommenden Zeit für dich da zu sein. Falls du niemanden hast, an den du dich wenden kannst, ist es auch möglich, dich in diesem Prozess von einer Fachperson begleiten zu lassen. Ich wünsche dir viel Kraft – du schaffst das!