Massaker in Luxor: «Ihr Geld ist sündhaft»

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Massaker in Luxor«Ihr Geld ist sündhaft»

Am 17. November 1997 töteten ägyptische Islamisten in Luxor 62 Menschen, darunter 36 Schweizer. Der Tourismus am Nil kam daraufhin beinahe zum Erliegen.

von
rm

Es war scheinbar ein Morgen wie jeder andere im Tal der Könige bei Luxor. Um 08.45 Uhr besichtigten zahlreiche Touristen die rechte und die linke Säulenhalle des Totentempels der Hatschepsut, darunter auch zwei grosse Gruppen der Schweizer Reiseunternehmen «Imholz» und «Kuoni». Für die Sicherheit auf dem weitläufigen Gelände sollten gerade einmal 35 Beamte der lokalen Touristenpolizei sorgen.

Plötzlich ertönten vom Eingang her Schüsse. Die Reiseleiter setzten ihre Führungen zunächst fort, als ob nichts geschehen wäre. Doch als sechs mit Schnellfeuergewehren und Messern bewaffnete Männer in die Tempelanlage stürmten, konnte sich niemand mehr Illusionen über den Ernst der Lage machen. Viele Touristen flohen panikartig ins Innere des Tempels, wo sie hinter Säulen Schutz zu finden glaubten, doch in Wahrheit waren sie damit in eine Falle getappt. Die Terroristen zwangen die Menschen, an der Wand niederzuknien, wo sie regelrecht exekutiert wurden. 36 Schweizer, zehn Japaner, fünf Engländer, vier Deutsche, vier Ägypter, ein Franzose, ein Kolumbianer und ein Bulgare kamen ums Leben.

Ableger der Muslimbrüder

Verantwortlich für das Massaker war die militante Organisation Gamaa Islamija (islamische Gruppe), eine Abspaltung der seit 1928 bestehenden, meist gewaltfrei agierenden Muslimbruderschaft. Spiritueller Führer von Gamaa Islamija war (und ist) der blinde Scheich Umar Abd ar-Rahman, der in den USA eine lebenslängliche Gefängnisstrafe absitzt, weil er in den Bombenanschlag auf das World Trade Center am 26. Februar 1993 verwickelt war.

Alle sechs Attentäter wurden entweder von der ägyptischen Polizei erschossen oder begingen Selbstmord. Sie hatten den ihrer Meinung nach «unislamischen» ägyptischen Staat dadurch treffen wollen, dass sie seine wichtigste Einnahmequelle, den Tourismus, versiegen liessen. Über ihre Opfer dürften sie ähnlich gedacht haben wie der in London lebende Abu Hamsa el-Masri, ein Mitglied von Gamaa Islamija. Anfang 1998 erklärte dieser in einem Interview mit dem «Spiegel»: «Wir haben alle Touristen gewarnt. Sie sind nicht willkommen. Ihr Geld ist sündhaft. Es ist das Geld von Menschen, die ein ausschweifendes Leben führen und ihre Laster auch in der islamischen Welt verbreiten wollen.»

Nur kurzfristiger Rückgang

Zunächst sah es so aus, als hätten die Terroristen ihr Ziel vollständig erreicht. Der Tourismus brach mehrere Jahre lang vollständig zusammen, doch mit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts begann er sich zu erholen und übertraf sogar das vor dem Anschlag erreichte Niveau. Den inhaftierten Führern von Gamaa Islamija war inzwischen auch klargeworden, dass sie sich mit solchen Gräueltaten von der Bevölkerung isolierten. 2002 veröffentlichten sie ein Dokument, das die Gewalt der Vergangenheit als fehlgeleitet und unislamisch anprangerte.

Kein Geld von Ägypten

2001 erhielten 78 Angehörige der Schweizer Opfer des Anschlags eine Entschädigung von insgesamt 4,7 Millionen Franken aus einem eigens dafür eingerichteten Fonds. Den Grossteil des Geldes hatten die Reiseveranstalter «Kuoni» und «Imholz» sowie deren Versicherungen «Winterthur» und «Zürich» bereitgestellt, allerdings ohne eine Haftung anzuerkennen.

Keinerlei Kompensation kam vom ägyptischen Staat. Man sehe sich selbst als Opfer des Anschlags und wolle ausserdem einen Präzedenzfall vermeiden, erklärten die Behörden.

Dok: «Als die Schweiz den Atem anhielt: Das Massaker von Luxor»

DOK - Katastrophen vom 12.07.2011

(Quelle: SF Videoportal)

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