MalaysiaIm Innern der grausamen Flüchtling-Camps
Im Norden Malaysias entdeckten Ermittler 28 von Schleppern eingerichtete Lager für hunderte Menschen. Auch Kinder wurden dort festgehalten.
- von
- cho
Der Schrecken der Flüchtlingskrise in Südostasien hat eine neue Dimension erreicht: Hunderte Flüchtlinge wurden offenbar in unmenschlichen Verhältnissen in Camps tief im Dschungel gefangen gehalten – auch kleine Kinder. 28 dieser Flüchtlingslager wurden bisher entdeckt. In einem könnten laut Experten bis zu 300 Menschen gelebt haben. Ein weiteres Lager habe etwa hundert Menschen fassen können, die übrigen jeweils 20.
Die Polizei führte am Dienstag Journalisten in einem zweistündigen Fussmarsch über einen steilen Dschungelpfad zu einem der Lager im Norden Malaysias. Es hatte einen Wachturm und schien schon vor einiger Zeit verlassen worden zu sein. In der ehemaligen Küche waren Töpfe und Geschirr verstreut. Auf dem Boden lag ein Kieferknochen. «Wir glauben, dass er zu einem Menschen gehört», sagte der örtliche Polizeibeamte Muhammad Bahar Alias.
Menschenkäfige
Zu erkennen war auch ein Gefängnis, zu dem mindestens zwei grosse Laufställe mit Stacheldraht gehörten. «Diese Gebilde wurden wahrscheinlich als Menschenkäfige benutzt», sagte Bahar.
100 Meter vom Camp entfernt, befanden sich mehrere Gräber. Nach der Entdeckung der illegalen Lagern hat die Polizei am Dienstag mit der Suche nach Leichnamen entlang der Grenze zu Thailand begonnen. Zahlreiche Polizisten waren mit Schaufeln und weissen Leichensäcken im Einsatz. «Wir haben 37 Gräber gefunden, aber bislang nur eine Leiche», sagte Bahar bei den Arbeiten in einem der Lager.
Kinder in Käfigen
In dem Lager, in dem am Dienstag die Grabungen begannen, wurden offenbar Spuren verwischt, mit denen nachvollzogen werden könnte, was dort geschah. Der malaysischen Polizei zufolge könnten die Lager bis vor zwei Wochen noch belegt gewesen sein. Aus Polizeifotos von anderen Standorten ging hervor, dass in der Region offenbar auch kleine Kinder festgehalten wurden. Darauf lässt etwa ein kleiner, halb verschütteter Schuh, welcher an einem Hang gefunden wurde, schliessen.
Dorfbewohner berichteten, ihnen seien vor einigen Wochen Flüchtlinge aus Bangladesch und Angehörige der muslimischen Rohingya aus Myanmar begegnet. Viele wiesen demnach Wunden und blutige Füsse vom Marsch über die Grenze auf und baten die Anwohner um Essen und Wasser. Viele seien später von Unbekannten in Autos fortgebracht worden.
Lösegeldforderung an Familien
Am Montag hatte die Polizei erklärt, die Lager seien zwischen dem 11. und 23. Mai gefunden worden. Die Flüchtlinge seien in Holzverschlägen festgehalten worden und hätten sich nicht frei bewegen dürfen. Ähnliche Lager und Gräber mit sterblichen Überresten von 36 Menschen sind im Laufe dieses Monats bereits auf der thailändischen Seite der Grenze gefunden worden.
Die Entdeckungen werfen ein Schlaglicht auf die Methoden von Schlepperbanden, die Flüchtlinge wie Angehörige der in Myanmar verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya seit Jahren in grossem Stil nach Thailand und Malaysia schleusen. Die Flüchtlinge mussten Tausende von Dollar für die Reise bezahlen, wurden nach der Ankunft aber über Wochen oder gar Monate in geheimen Lagern festgehalten, bis ihre Familien noch einmal für ihre Freilassung gezahlt hatten. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wurden einige von ihnen zu Tode geprügelt. Die Nachrichtenagentur AP hat Fälle dokumentiert, in denen Flüchtlinge auf Fischerbooten Sklavenarbeit verrichten mussten.
Beamte Teil des Kartells?
Die malaysische Regierung hatte die Existenz von Flüchtlingslagern auf ihrem Staatsgebiet bislang stets bestritten. Am Sonntag gaben dann die Behörden die Entdeckung der Lager und Gräber bekannt.
Malaysias Innenminister Zahid Hamidi sagte, die Polizei untersuche, ob Regierungsbeamte mit den Menschenschmugglern zusammengearbeitet haben. Mehrere Personen seien festgenommen worden, sagte er am Dienstag.