Neue Polit-Web-App: «Im schlimmsten Fall prügeln sich die Leute»

Aktualisiert

Neue Polit-Web-App«Im schlimmsten Fall prügeln sich die Leute»

Raus aus der Blase: Zwei Brüder aus Bern haben eine Web-App entwickelt, welche Menschen unterschiedlicher Meinung zusammenzubringen soll.

von
Benjamin Hostettler
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Die beiden Brüder Livio (Links) und Luca Liechti (Rechts) haben die Web-App Radius entwickelt.

Die beiden Brüder Livio (Links) und Luca Liechti (Rechts) haben die Web-App Radius entwickelt.

ZVG
Nein. Die App funktioniert nicht wie Tinder. Es geht nicht um Dates oder Gemeinsamkeiten:

Nein. Die App funktioniert nicht wie Tinder. Es geht nicht um Dates oder Gemeinsamkeiten:

epa/Sascha Steinbach
Anhand von fünf Ja/ Nein-Fragen werden diejenigen Personen einem zugeteilt, welche die wenigsten Gemeinsamkeiten haben. Danach können sich die jeweiligen Personen treffen und Meinungen austauschen.

Anhand von fünf Ja/ Nein-Fragen werden diejenigen Personen einem zugeteilt, welche die wenigsten Gemeinsamkeiten haben. Danach können sich die jeweiligen Personen treffen und Meinungen austauschen.

ZVG

Die Funktionsweise aktueller Dating-Apps ist einfach: Drücken beide Personen die Ja-Taste, können sie sich anschliessend schreiben und treffen. Die Apps basieren auf Gemeinsamkeiten. Nicht so die die App Radius: Dort treffen Personen aufeinander, welche möglichst wenig Gemeinsamkeiten haben. Radius soll politisch Andersdenkende zusammenbringen und den Dialog in der Schweiz fördern.

Geschaffen wurde die Web-App von den Brüdern Livio (28) und Luca Liechti (31). Vorbild und Inspirationsquelle sei das Projekt «Deutschland spricht» gewesen, das diesen Herbst zum zweiten Mal stattfindet. Ziel dieser Veranstaltung ist es, das Gegenüber kennenzulernen und miteinander statt übereinander zu sprechen. Für Luca ist dieser Gedanke äusserst spannend: «Ich wollte mich damals in Deutschland ebenfalls registrieren, was leider nicht klappte, aber wir glauben an eine Realisierung in der Schweiz.»

«Allermeiste Menschen sind keine Extremisten»

Dass die Schweiz gesellschaftlich am Auseinanderdriften ist glaubt Liechti nicht: «Dieser Eindruck entsteht durch die Medien. Die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer sind keine Extremisten.» Ein Problem sei, dass man ständig nur mit Leuten unterwegs sei, die eine ähnliche politische Meinung vertreten. Ein wirklicher Austausch unter Andersdenkenden finde so nicht statt.

Bevor die App lanciert wird, gibt es noch manche Herausforderung. Eine davon ist die Realisierung der fünf Ja/Nein-Fragen, welche die Radius-Benutzer beantworten müssen: «Die Fragen müssen unabhängig voneinander sein. Das ist extrem komplex», so Liechti, der als Informatiker arbeitet. Eine Frage werde mit grosser Wahrscheinlichkeit die Umwelt betreffen, verrät er gegenüber 20 Minuten.

«Im schlimmsten Fall prügeln sich die Leute»

Eine Applikation wie Radius sei sehr wünschenswert, um den Austausch in der Bevölkerung zu fördern, sagt Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern. Sie äussert aber auch Bedenken: «Für den gesellschaftlichen Austausch wie in diesem Fall braucht es unbedingt Regeln», und fügt mit einem Lachen hinzu: «Nehmen wir den worst case: Was wäre wenn sich zwei Personen mit bösen Absichten treffen würden und sich dann verprügeln würden?».

Diese Sorgen sind Luca Liechti nicht fremd. Er glaubt aber: «Wer unbedingt Streit suchen will, der wartet nicht auf unser Programm.» Man werde auf der Website aber darauf hinweisen, dass nicht erwünscht sei, wer sich nicht an die Regeln des respektvollen Dialogs halten kann.

Am Montag hat die Crowdfunding-Kampagne für die Web-App begonnen. Laut Liechti habe man bereits 400 Franken sammeln können. Das Ziel sei 3000. Ab dem 15. September können sich Interessierte auf der Website von Radius Schweiz registrieren. Danach beginnt die Zuteilung der Teilnehmenden.

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