Nooch, Negishi und Co. – Diese Firma legt die Löhne aller Angestellten offen

Publiziert

Nooch, Negishi und Co.Diese Firma legt die Löhne aller Angestellten offen

Das Gehalt ist in der Schweiz ein gutgehütetes Geheimnis. Ein Zürcher Gastro-Betrieb macht nun intern alles öffentlich. Die Chefs gehen voran.

1 / 8
Bei den Restaurants der Familie Wiesner Gastronomie wie im Nooch gibt es jetzt die volle Lohntransparenz.

Bei den Restaurants der Familie Wiesner Gastronomie wie im Nooch gibt es jetzt die volle Lohntransparenz.

Tamedia AG/Franziska Rothenbuehler
Die Firma hat einen Lohnrechner entwickelt, zudem können die Angestellten alle Löhne erfragen.

Die Firma hat einen Lohnrechner entwickelt, zudem können die Angestellten alle Löhne erfragen.

Tamedia AG/Franziska Rothenbuehler
Inhaber der Firma sind die Brüder Manuel (l.) und Daniel Wiesner. «Wir haben nichts zu verstecken», sagt Manuel Wiesner und legt seinen Lohn offen: etwa 245’000 Franken und etwas weniger als einen Monatslohn Bonus.

Inhaber der Firma sind die Brüder Manuel (l.) und Daniel Wiesner. «Wir haben nichts zu verstecken», sagt Manuel Wiesner und legt seinen Lohn offen: etwa 245’000 Franken und etwas weniger als einen Monatslohn Bonus.

Tamedia AG/Franziska Rothenbuehler

Darum gehts

Über das Gehalt spricht man nicht in der Schweiz, heisst es. Was die Kolleginnen und Kollegen oder die Vorgesetzen verdienen, weiss kaum einer. Auch im Stelleninserat finden sich nur selten Angaben zum Lohn, obwohl das Gehalt eines der wichtigsten Kriterien ist, wie eine aktuelle Umfrage des Job-Portals Indeed ergab.

Die Zürcher Firma Familie Wiesner Gastronomie (FWG) will das ändern. Das Unternehmen mit über 30 Restaurants (siehe Box) entwickelte einen eigenen Lohnrechner. Das soll etwa Bewerberinnen und Bewerbern zur Orientierung dienen.

Zudem legt die Firma für die Angestellten alle Löhne offen. Sie können über ein Onlineformular jeden Lohn der Mitarbeitenden oder Vorgesetzten anfragen, wie es in einer Mitteilung heisst. Die Personalabteilung gibt dann telefonisch Auskunft.

Schriftlich gibts aber keine Infos. «Wir haben uns gegen eine schriftliche Mitteilung entschieden, da wir per Telefon auf Fragen eingehen und gleich die Perspektiven aufzeigen können, um den gleichen Lohn zu erhalten», sagt Wiesner. Zudem wolle die Firma damit Rücksicht auf die Mitarbeitenden aus anderen Kulturen nehmen und sie an die Lohntransparenz heranführen.

«Wir haben nichts zu verstecken»

So wolle FWG sämtliche Spekulationen über Löhne unterbinden. «Wir haben nichts zu verstecken. Ich verdiene etwa 245’000 Franken und nicht mal einen Monatslohn Bonus», sagt Manuel Wiesner zu 20 Minuten. Auch über Details zu allfälligen Boni der Vorgesetzten sollen die Angestellten Infos kriegen. Nur die Höhe des Trinkgelds können die Angestellten nicht abfragen, dieses werde aber pro Restaurant-Team aufgeteilt.

Das ist die FWG

Wiesner ist überzeugt, dass die Lohntransparenz für Lohngleichheit sorge, was positiv fürs Arbeitsklima sei. So verdienen Frauen bei FWG im Schnitt 0,4 Prozent mehr als Männer. Die Lohnschere  bei FWG betrage 1 zu 5,4: Das bedeutet, dass die beiden Inhaber Manuel und Daniel Wiesner 5,4-mal mehr verdienen als die Mitarbeitenden mit dem niedrigsten Lohn.

«Der Zusammenhalt im Team wird noch grösser»

Die Erfahrungen seien sehr gut. «Die Mitarbeitenden sind entspannt, der Lohn ist jetzt kein Thema mehr, der Zusammenhalt wird dadurch noch grösser», so Wiesner.

Personalexperte Jörg Buckmann findet die völlige Lohntransparenz in der Firma gut: «Dass man an der Lohn-Geheimniskrämerei kratzt, ist mutig und nachahmenswert.» Unzufriedenheit beim Lohn gebe es vor allem deshalb, wenn man das Gefühl hat, schlechter als die anderen bezahlt zu werden.

Mit der Transparenz könne die Firma diese Unzufriedenheit auf einen Schlag aushebeln. «Ich kann mir vorstellen, dass die Löhne dann der perfekte Gesprächsstoff für die Znünipause sind. Aber eben nicht lange, weil was nicht mehr geheim ist, ist halt auch nicht mehr interessant», sagt Buckmann.

Neid wegen Lohntransparenz

Ganz anders sieht das der Lohnexperte Jean-Marc Jung: «Lohntransparenz ist oft schlecht, weil es zu Neid unter den Angestellten führen kann. Kommen noch Bonuszahlungen dazu, kann eine Offenlegung das Betriebsklima brutal belasten.»

Die Löhne müssten laut Jung ohnehin im Rahmen des Gastro-Gesamtarbeitsvertrags sein. Wer sich dafür interessiere, wie hoch der Lohn in seinem Beruf ist, dem empfiehlt Jung, sich im Lohnbuch Schweiz oder auf den Webseiten von Personalvermittlern zu erkundigen.

Auch der eidgenössische Datenschützer hat Bedenken. Für die Offenlegung der Löhne, die vertraulich wie die Persönlichkeitsrechte sind, brauche es besondere Gründe, sagt ein Sprecher. Allenfalls sei auch eine Einwilligung nötig. Diese sei im Arbeitsbereich aber heikel und nicht immer gültig, weil die Angestellten oft keine echte Wahlmöglichkeit hätten, um gegen die Lohntransparenz zu stimmen. 

My 20 Minuten

Deine Meinung

30 Kommentare