Studie über Corona-Skeptiker«In einigen Telegram-Gruppen wurde vor unserer Studie gewarnt»
Soziologen der Universität Basel haben über 1000 Querdenker befragt. Ihre Studie zeigt: Die Corona-Skeptiker sind skeptisch gegenüber Wissenschaft und Staat und offen für Alternativmedizin und rechte Ideologien.
- von
- Lukas Hausendorf
Corona-Gegner demonstierten in der Schweiz schon mehrfach vor dem Bundeshaus. Ein Aktivist erklärt sich.
Die Maske ist für sie Zeichen der freiwilligen Unterwerfung und der Diktatur. Maskenpflicht erachten sie gar als Kindsmissbrauch. Etablierten Experten misstrauen sie genauso wie der Regierung, und Corona sei kaum gefährlicher als eine schwere Grippe. Das sind nicht etwa Vorurteile über die sogenannten Querdenker, die in Deutschland und der Schweiz gegen die Corona-Massnahmen der jeweiligen Regierungen protestieren und sich über den Messengerdienst Telegram organisieren und vernetzen. Das sind Erkenntnisse eines soziologischen Forschungsprojekts der Universität Basel, das sich auf Befragungen von über 1150 Querdenkern stützt.
Demnach halten knapp über 80 Prozent der Querdenker die Corona-Massnahmen der Regierung für willkürlich. Über 97 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Regierung im Umgang mit dem Coronavirus unnötig Angst schüre; und dass im Umgang mit dem Virus die falschen Experten den Ton angäben, finden über 87 Prozent der Befragten. Hingegen vertraut eine Mehrheit lieber den «eigenen Gefühlen und Intuitionen als sogenannten Experten».
Die wissenschaftsskeptische Bewegung ist mehr der Natur- und Alternativmedizin zugewandt. Auch Verschwörungstheorien stossen auf Resonanz und damit auch eine Neigung zum Antisemitismus. Jedoch seien die Querdenker nicht ausgesprochen fremdenfeindlich, sondern teilweise sogar eher antiautoritär und der Anthroposophie zugeneigt.
Viele Querdenker sind nach rechts gerutscht
Das Team um Soziologieprofessor Oliver Nachtwey rekrutierte die Befragten vornehmlich über Telegram, wo die Onlineumfrage in mehreren einschlägigen Chatgruppen und Kanälen regelmässig gepostet wurde. Dort wurden die Basler Forscher nicht nur mit offenen Armen empfangen. Vielfach wurden sie geblockt, und «in einigen Telegram-Gruppen wurde explizit vor der Teilnahme an unserer Studie gewarnt».
Die Auswertung der Fragebögen zeichnet nun erstmals ein relativ hoch aufgelöstes Bild der Protestbewegung. Demnach sind Akademiker (34 Prozent) und Selbstständige (25 Prozent) deutlich höher vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Politisch ist die Bewegung heterogen; was sie allerdings eint, ist eine starke Entfremdung vom politischen System und den etablierten Medien. Und hatten viele bei den letzten Wahlen noch linksgrün gewählt, würden in der Schweiz heute 46 Prozent der SVP ihre Stimme geben. Bei den deutschen Befragten ist ein klarer Trend hin zur AfD erkennbar (27 Prozent).
Wenig überraschend fallen in beiden Ländern Exponenten der rechtspopulistischen Parteien auch durch ihre Nähe zu den Protestbewegungen auf. «Es handelt sich im Ganzen um keine genuin rechte Bewegung, aber um eine, die nach rechts offen ist und diesbezüglich grosse immanente Radikalisierungspotenziale aufweist», kommentiert Studienleiter Oliver Nachtwey.
Forschung steht erst am Anfang
Die Erkenntnisse der Studie sind allerdings erst vorläufig und deren Auswertung auch nicht repräsentativ, wie die Forscher festhalten. «Die Forschung zu den Protesten steht erst am Anfang», halten sie fest. Eine wichtige Frage, die sich aus den ersten Befunden ergebe, sei auch, warum die Corona-Proteste im deutschsprachigen Europa so viel stärker seien als im Rest der Welt.
In Deutschland mobilisiert die Querdenker-Bewegung Massen: Anfang November nahmen rund 200’000 Personen an einer Corona-Demo in Leipzig teil.
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