TerrorismusIn Mozambique schiessen Islamisten auf Babys – USA warnen wieder vor dem «Islamischen Staat»
Die Stadt Palma in Mozambique ist seit letzter Woche in Hand von Islamisten. Der Angriff war gut koordiniert und die Bewaffnung der Extremisten beeindruckt Experten.

Viele Bewohner und ausländische Arbeiter suchten in Palma Schutz im Amarula Hotel. Um auf sich aufmerksam zu machen, legten sie Steine zu grossen SOS-Zeichen zusammen.
Die Küstenstadt Palma im Norden Mozambiques befindet sich seit Tagen in der Hand von Islamisten. Augenzeugen berichten von enthaupteten Leichen, welche die Strassen säumten, von Kindern, die nicht verschont wurden. Einige versteckten sich und legten Steine zu grossen SOS-Zeichen zusammen, damit Retter sie aus der Luft erkennen. Tausende Bewohner und ausländische Arbeiter flohen. Die in der Region tätige Organisation Ärzte ohne Grenzen berichtet von «herzzerreissenden Situationen».
«Wir haben ein Baby mit einer Schusswunde versorgt; auch schwangere Frauen kommen in schrecklichem Zustand – eine Frau, die anscheinend im siebten Monat schwanger war, hatte starke Blutungen und ihr Baby war bereits gestorben», berichtet Sylvie Kaczmarczyk, die Leiterin der Nothilfeabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Mosambique. Viele Flüchtlinge seien ausgemergelt, traumatisiert und verängstigt, andere hätten zum Teil schwere Verletzungen.
Mit dem IS verbunden
Offiziell gibt es noch immer kaum Informationen zur Lage in der Stadt an der Grenze zu Tansania. Das liegt auch an der Blockade der Regierung, die seit Jahren unabhängigen Beobachtern den Zugang verwehrt. Mit der Erstürmung Palmas dürfte sich dies ändern. Zumindest hat das Land jetzt offenbar Angebote aus den USA und Portugal angenommen, die Spezialkräfte zur Unterstützung der eigenen Polizei schicken wollen.
Wer sind die Islamisten, die eine ganze Stadt kapern können? Sie nennen sich «Ahlu Sunna Wa-Jamah» (»Jünger der Tradition des Propheten») und verstehen sich als Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In einem Bekennerschreiben vom Montag betonte der IS denn auch, seine Kämpfer hätten die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt übernommen und 55 Sicherheitskräfte getötet.
Dabei sind die IS-getreuen Islamisten von Mozambique seit 2017 immer wieder an brutalsten Überfällen beteiligt, an einigen Orten hissten sie die berüchtigte schwarze Flagge der Terroristen.
Ausländische Anführer?
Ihre Anführer sind unbekannt. Die Regierung Mozambiques weist zwar immer wieder darauf hin, dass die Angriffe «aus dem Ausland gesteuert» seien. Auch unabhängige Medien des Landes schreiben, Mozambique sei ins Visier des internationalen Jihadismus geraten und ziehe radikale Islamisten aus ganz Afrika an. Tatsächlich gibt es laut «Süddeutscher Zeitung» Anzeichen dafür, dass beim Überfall auf Palma auch Kräfte aus Tansania involviert sind und dass Terroristen aus Mozambique Trainingslager von Islamisten im Kongo genutzt haben.
Ob hinter der Gewalt in Palma tatsächlich der IS steckt oder sich die Terrormiliz aus dem Nahen Osten damit nur brüstet, ist unklar. Sicherheitsexperten sind so oder so alarmiert. Die blutigen Kämpfe um Palma zeigten, dass sich die islamistische Terrorgruppe in Mozambique neu ausrichte, meint etwa Jasmine Opperman: «Wir können klar erkennen, dass sich Taktik und Planung der Gruppe deutlich verbessert haben», sagte die Afrika-Direktorin des Konsortiums für Terrorismusforschung (TRAC) in Johannesburg. Die Bewaffnung der Extremisten, die Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben sollen, sei beeindruckend.
IS ist eine «internationale signifikante Sicherheitsbedrohung»
«Die Jihadisten gewinnen immer mehr Terrain und setzen dabei auf Terror und Angst. Gleichzeitig versuchen sie, das Wohlwollen der ärmeren Bevölkerungsschichten zu gewinnen, indem sie Handys, Fahrzeuge, Sprit oder gestohlene Lebensmittel an loyale Einwohner verteilen», so der mosambikanische Journalist Estácio Valói auf dw.com. Die Männer würden militärisch ausgebildet und mit immer besseren Waffen ausgestattet. «Früher hatten sie nur Macheten, jetzt haben sie moderne Maschinengewehre und sogar Helikopter.»
Der Überfall auf Palma und die gasreiche Provinz Cabo Delgado im Nordosten Mozambiques hat die Anti-IS-Koalition in ihrer Warnung vor dem IS und seinen Terrorfilialen bestätigt. Anfang Woche hatte John Godfrey, der geschäftsführende Sondergesandte der US-Regierung für die Koalition, erklärt, dass die Terrorgruppe nach wie vor eine «internationale signifikante Sicherheitsbedrohung» darstelle – für seine Kernländer Syrien und im Irak und darüber hinaus, aber auch für Europa und Nordamerika.
«Es gibt immer noch einen Kader fähiger IS-Akteure in Syrien, die gut vernetzt seien und erfahren in der Planung von Attacken», so Godfrey. Der Angriff in Mozambique zeige es umso deutlicher: Nach der Zerschlagung des territorialen IS-Kalifats konzentriere sich der IS zunehmend auf Aktivitäten seiner Ableger und Netzwerke.
Was ist passiert?
Bei den Kämpfen um die Küstenstadt Palma wurden nach Angaben der mozambikanischen Regierung mindestens sieben Menschen getötet. Es werde weiterhin versucht, die Küstenstadt zurückzuerobern. Angaben zur Zahl der Opfer und Vertriebenen gab es dagegen nicht. Palma befindet sich in der gasreichen Provinz Cabo Delgado im Nordosten Mozambiques, wo Frankreichs Energiekonzern Total an einem 16,9 Milliarden Euro (20 Milliarden Dollar) teuren Flüssiggasprojekt beteiligt ist. Total hatte wegen des Überfalls etwa 1000 Mitarbeiter von einem benachbarten Erdgasprojekt in Sicherheit bringen müssen. (AFP)