Nach Bürgerkrieg: In Sierra Leone wird gewählt

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Nach BürgerkriegIn Sierra Leone wird gewählt

Die Bürger in Sierra Leone dürfen dieses Wochenende einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament bestimmen. Die Wahlen gelten als Test für die demokratische Konsolidierung des Landes.

Zehn Jahre nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs in Sierra Leone haben die Wähler am Samstag über einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament entschieden. Die rund 2,6 Millionen Wahlberechtigten in dem westafrikanischen Land waren zudem aufgerufen, ihre Regional- und Gemeindeversammlungen neu zu bestimmen.

Vor vielen Wahllokalen hatten sich bereits Stunden vor ihrer Öffnung lange Menschenschlangen gebildet. Der Wahlkampf war weitgehend friedlich geblieben. Am Wahltag herrschte allerdings Ausnahmezustand. Rund 14'000 Polizisten und Soldaten sollten dafür sorgen, dass es keine Ausschreitungen gibt. Jeglicher privater Autoverkehr war untersagt.

Ein Regierungssprecher hatte zuvor betont, diese Massnahmen seien «symbolisch» für den unbedingten Willen der Regierung, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und eine friedliche, demokratische Wahl zu ermöglichen. Ein UNO-Sprecher sagte, «friedliche Wahlen, die in ein glaubwürdiges Ergebnis münden, sind entscheidend, um den hart erkämpften Frieden in Sierra Leone zu festigen und zu demonstrieren, dass der gewaltige Fortschritt des Landes (...) unumkehrbar ist».

«Wir haben eine Menge durchgemacht in den letzten 20 Jahren», sagte Mannah Kpukumu, ein 36-jähriger Angestellter im öffentlichen Dienst. «Wir, die jungen Menschen, wollen Arbeit und in der Lage sein, unsere Familien zu versorgen.»

Möglicherweise zweiter Wahlgang nötig

Die aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt sind Amtsinhaber Ernest Koroma, der seit dem Jahr 2007 regiert und eine zweite und letzte Amtszeit anstrebt, und der frühere General Julius Maada Bio.

Koromas Anhänger verweisen auf Verbesserungen in der Infrastruktur und im Gesundheitssystem, die seit seinem Amtsantritt erzielt wurden. Dazu gehört unter anderem eine kostenlose medizinische Versorgung für die Bürger. Julius Maada Bio erklärte dagegen, der Präsident habe seine Wahlversprechen, zu denen die Bekämpfung der Korruption gehörte, nicht eingehalten. Er verdiene daher keine zweite Amtszeit.

Es wurde erwartet, dass Koromas Partei APC im Norden des Landes und in der Hauptstadt Freetown gut abschneiden würde. Es war jedoch nicht klar, ob der Amtsinhaber die notwendigen 55 Prozent der Stimmen erzielen kann, die er benötigt, um gleich im ersten Wahlgang zu gewinnen.

Test für demokratische Konsolidierung

Die Wahlen gelten als Test für die demokratische Konsolidierung Sierra Leones, wo in den Jahren 1991 bis 2002 ein Bürgerkrieg wütete. Es ist das erste Mal seit dem Konflikt, dass das Land Wahlen ohne die UNO organisiert.

Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt. Laut einer Statistik der Weltbank müssen die meisten der fast sechs Millionen Menschen in Sierra Leone mit umgerechnet weniger als einem Euro pro Tag auskommen. (sda)

Vom Bürgerkrieg gezeichnet: Sierra Leone

Der kleine westafrikanische Staat Sierra Leone (»Löwengebirge») gehört zu den ärmsten Ländern dieser Region. Knapp sechs Millionen Menschen leben dort. Sie gehören 20 verschiedenen Völkern an, in der Mehrheit sind es Muslime.

Die Welthungerhilfe schätzt die Lage der Bevölkerung als «sehr ernst» ein: Die Lebenserwartung liegt nur bei rund 50 Jahren, die Kindersterblichkeit ist sehr hoch. Mehr als die Hälfte der Einwohner sind Analphabeten. Hauptgrund für die Armut ist ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg.

Seit seinem Ende 2002 hat Sierra Leone aber eine vergleichsweise positive Entwicklung genommen. Alle UNO-Friedenstruppen sind abgezogen, die Sanktionen aufgehoben. Der Wiederaufbau mit Stromversorgung, Strassennetz und der Etablierung eines Gesundheits- und Bildungssystem kommt langsam in Gang.

Sierra Leone exportiert vor allem Diamanten, Metalle und Kakao, muss aber Industriegüter und Nahrungsmittel einführen. Ein Problem bleibt die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Die Briten entliessen 1961 ein wirtschaftlich gesundes Land mit reichen Bodenschätzen und einer blühenden Landwirtschaft in die Unabhängigkeit. Danach verstärkten sich Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, Machtkämpfe und Korruption führten zum Niedergang.

Das wohl grösste Leid fügte dem Land die Rebellenorganisation «Revolutionäre Vereinigte Front» (RUF) im Bündnis mit dem liberianischen Rebellenführer und späteren Präsidenten Charles Taylor zu.

Die RUF ging mit unfassbarer Grausamkeit gegen die Bevölkerung vor und bezahlte den Terror mit Diamanten aus eroberten Minen (»Blutdiamanten»). Der Bürgerkrieg kostete Zehntausende das Leben und zwang 270 000 Menschen in die Flucht. (sda)

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