Nach 100 JahrenIn St. Gallen endet die Schreibmaschinen-Ära
Das letzte Schreibmaschinen-Geschäft der Region schliesst seine Tore zu Beginn des neuen Jahres. Der Besitzer blickt mit Wehmut zurück.
- von
- Raphael Rohner
«Eigentlich wollte ich ja Frauenarzt werden», erinnert sich der 80-jährige Fritz Steiger und schaut sich in seinem Schreibmaschinengeschäft um. Steiger wurde aber Büromaschinenmechaniker, wie es sein Vater wollte und übernahm vor 50 Jahren das Geschäft an der Davidstrasse in St. Gallen. Sein Vater führte es bereits 50 Jahre und war zu seiner Zeit jedem St. Galler ein Begriff, der nicht von Hand schreiben mochte.
«Früher mussten wir uns noch gegen 23 Konkurrenten behaupten. Heute bin ich der Letzte, der noch da ist», sagt Steiger, der nun in den Ruhestand treten und sein Geschäft aufgeben will – altershalber. «Damit endet eine hundertjährige Geschichte», sagt Steiger.
Von der modernen Technik überrannt
Das Geschäft mit Büromaschinen lief lange gut. In der Blütezeit hatte es bis zu fünf Angestellte, darunter Lehrlinge, Mechaniker und Vertreter. Doch dann hielten Computer Einzug in die Büros und Schreibstuben von St. Gallen. Bald interessierte sich niemand mehr für Rechen- und Schreibmaschinen. Fritz Steiger wollte standhaft bleiben und hielt sich an das Sprichwort: «Schuster, bleib bei deinen Leisten.»
Die Computer waren ihm von Anfang an zu kompliziert. Steiger: «Ich wurde von der modernen Technik förmlich überrannt.» Der Verkauf von Schreibmaschinen ging bergab und Steiger hoffte, sein Geschäft mit Reparaturen über Wasser halten zu können. Lange ging sein Konzept auf und er wurde mehr und mehr zu einem gefragten Fachmann: «Die anderen Geschäfte gingen eines ums andere ein und ich war der letzte Fachmann, der wirklich alles reparieren konnte.» Auch habe er sich ein grosses Lager an Ersatzteilen zugelegt, was sich bewährt habe: «Ich kann noch zu jeder gängigen Maschine Farbbänder liefern», sagt Steiger stolz.
Seit zwei Jahren vom Ersparten gelebt
Doch schliesslich waren auch die Ersatzteile nicht mehr gefragt und Steiger konnte die 1200 Franken Miete für sein Geschäftslokal nicht mehr aus den Einnahmen bezahlen. Seit zwei Jahren zehrte er von den Ersparnissen. Er habe sich eigentlich schon lange entschieden, den Laden aufzugeben, hat es aber nie übers Herz gebracht. Steiger: «Ich kann mich von meinen Maschinen und meinem Beruf einfach nicht trennen.» Zu viel Herzblut und zu viele Erinnerungen steckten im Geschäft.
Nun ist trotzdem Schluss und Steiger plant eine Total-Liquidation. Es sei traurig, dass er hundertjährige Maschinen, die von Anfang an da waren, nun verkaufen müsse. Noch stehen über 300 Geräte in seinem Lokal, die alle weg müssen. Ganz lassen kann es der 80-Jährige aber nicht. Er sucht einen Raum, wo er privat Schreibmaschinen reparieren kann: «Ich finde bestimmt irgendwo ein Hinterzimmer, wo ich noch Maschinen flicken kann», sagt er grinsend.
Im Rennboot war er Weltklasse
Fritz Steiger war früher nicht nur ein geschickter Büromaschinenmechaniker. Seine grosse Leidenschaft gehörte dem Schnellbootfahren. «Das war die Formel 1 auf dem Wasser», gerät er schnell ins Schwärmen. In einer Ecke in seinem Geschäft stehen Pokale, Medaillen und Lorbeerkränze, die er bei Meisterschaften abgeräumt hat. Fritz Steiger wurde gar Europameister und Vizeweltmeister. «Dank dem Rennbootfahren kam ich von St. Gallen in die weite Welt hinaus», so Steiger.
Ebenso war er mit Kurt Felix unterwegs und war an einigen Sketchen von «Verstehen Sie Spass?» beteiligt. Im Ruhestand wolle er sich wieder dem Wassersport zuwenden, sagt Steiger, wenn auch nicht mehr ganz so schnell wie früher.