Inge Meysel, die «Mutter von Deutschland», ist tot.

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Inge Meysel, die «Mutter von Deutschland», ist tot.

Die populäre Volksschauspielerin starb am frühen Samstagmorgen im Alter von 94 Jahren in ihrer Villa in Bullenhausen bei Hamburg an Herzstillstand.

Nach Angaben ihres Betreuers Peter Knuth schlief sie friedlich ein. Ihre Asche soll neben ihrem 1965 verstorbenen Ehemann John Olden auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt werden. Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzler Gerhard Schröder würdigten die Verstorbene als grossartige Frau und Künstlerin.

Die Beisetzung soll Knuth zufolge wohl erst in der Woche ab dem 19. Juli stattfinden. Es solle eine Feier «ohne grosses Brimborium» werden - so, wie es sich Meysel gewünscht habe. Ausserdem habe sie verfügt, dass ihre Leiche verbrannt werden solle. Offenbar habe Meysel, die zuletzt zunehmend an Altersdemenz litt, geahnt, dass es mit ihr zu Ende gehe, sagte Knuth. In ihren letzten Lebenstagen habe sie sich wiederholt gewünscht: «Ich will zu Mama und Papa.» Vor dem Einschlafen habe sie ihm noch einmal gesagt: «Ich hab dich lieb.»

Meysel wurde am 30. Mai 1910 als Tochter einer Dänin und eines deutsch-jüdischen Tabakwarenhändlers in Berlin geboren. 1930 debütierte sie in Zwickau, wurde später von den Nazis jedoch mit einem Auftrittsverbot belegt. Nach dem Krieg spielte die Künstlerin, die in erster Ehe mit dem Schauspieler Helmut Rudolph verheiratet war, am Hamburger Thalia Theater und am Schauspielhaus vorwiegend in Boulevardstücken.

Während der Ehe mit ihrem zweiten Mann, dem Regisseur John Olden, drängte sie in Charakterrollen und eroberte wenig später das Fernsehen. Ihren Durchbruch schaffte sie 1959/60 als Portiersfrau in dem Stück «Das Fenster zum Flur». Diese Rolle brachte ihr den Ruf als «Mutter der Nation» ein - obwohl sie nach eigenem Bekunden alles andere als ein mütterlicher Typ war.

Resolute Frauenrollen mit rauer Schale

In den letzten 40 Jahren spielte sie in mehr als 100 Rollen auf der Bühne und im Fernsehen, oft als resolute Frauengestalt mit rauer Schale aber auch im komödiantischen Fach. Ende Mai war sie in ihrer letzten Rolle als Oma Kampnagel in der ARD-Krimiserie Polizeiruf 110 «Mein letzter Wille» zu sehen.

Auch im realen Leben scheute die Schauspielerin keinen Konflikt: 1978 klagte sie gemeinsam mit Alice Schwarzer und Luise Rinser über die «Darstellung der Frau als blosses Sexualobjekt» gegen den «Stern», sie warb für den Verein «Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben» und sprach sich 1998 mit anderen Intellektuellen und Künstlern für den Wiedereinzug des PDS-Politikers Gregor Gysi in den Deutschen Bundestag aus. Auch ihr Bekenntnis zur Bisexualität sorgt für Furore.

Nach dem Tod ihres zweiten Mannes 1965 lebte die Wahlhamburgerin allein und litt in ihrem letzten Lebensjahr zunehmend an Altersdemenz. Ihren 94. Geburtstag feierte sie am 30. Mai in ihrem Haus an der Elbe mit ihren letzten Angehörigen - ihrer Nichte und deren Mutter - sowie mit ihrer Anwältin, ihrem Manager Knuth und dessen Frau.

Bundespräsident Köhler sagte, Deutschland habe eine herausragende Schauspielerpersönlichkeit verloren, die sich in die Herzen der Menschen gespielt habe. Schröder würdigte, dass Meysel sich immer wieder mutig zu gesellschaftlichen Fragen zu Wort gemeldet habe. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sagte, die Sozialdemokraten verneigten sich «vor einer grossen Künstlerin und treuen Weggefährtin». Kulturstaatsministerin Christina Weiss nannte ihre Frauenfiguren Leitbilder ganzer Generationen und auch FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper würdigte Meysel als Volksschauspielerin, «die das Herz auf dem rechten Fleck trug».

(dapd)

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