Fachkräftemangel: Ingenieurinnen braucht unser Land

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FachkräftemangelIngenieurinnen braucht unser Land

Der Schweiz fehlen tausende Frauen in technischen Berufen. Doch die Branche hat seit Jahren ein Imageproblem. Ingenieurinnen fordern jetzt: Mehr Technik in den Schulen!

Sabina Sturzenegger
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Sabina Sturzenegger
Ingenieurin dringend gesucht! Auf den Frauen lastet die Hoffnung. Sie könnten einen Teil des herrschenden Fachkräftemangels wettmachen. (Bild: thinkstockphotos)

Ingenieurin dringend gesucht! Auf den Frauen lastet die Hoffnung. Sie könnten einen Teil des herrschenden Fachkräftemangels wettmachen. (Bild: thinkstockphotos)

Die Schweiz leidet seit Jahren unter einem Mangel an Ingenieuren. In den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (kurz: Mint) fehlen laut einer Studie des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse 15 000 Fachkräfte. Diesen Mangel bekommt unsere Wirtschaft immer mehr zu spüren: Ihr gehen pro Jahr zwei bis drei Milliarden Franken Wertschöpfung verloren.

Jetzt schlägt die Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen (SVIN) Alarm: «Das Potenzial von Frauen in diesen Berufen wird zu wenig ausgeschöpft», klagt Brigitte Manz-Brunner. Die SVIN-Geschäftsführerin ist überzeugt, dass ein Teil des Fachkräftemangels in der Schweiz behoben werden könnte, wenn mehr Frauen die Berufe wählen würden.

Ehrung soll Mint-Berufe für Frauen sichtbar machen

Am Donnerstag (heute) feiert die SVIN ihr 20-jähriges Bestehen und kürt zum ersten Mal die fünf einflussreichsten Frauen unter den Ingenieurinnen, Technikerinnen, Naturwissenschafterinnen und Informatikerinnen. Der Festakt mit Ehrung an der ETH Zürich ist ein Versuch, mehr Aufmerksamkeit auf die Mint-Berufe zu lenken. Das ist offenbar bitter nötig: Die Zahl der Absolventinnen eines technischen Studienganges liegt in unserem Land bei 16,3 Prozent. Länder wie Finnland oder Korea weisen einen Ingenieurinnenanteil von rund 35 Prozent auf, wie Economiesuisse schreibt.

Doch wie wird dieser «typische Männerberuf» des Ingenieurs für Frauen zugänglicher? Laut Manz-Brunner müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: «Die Schule muss Technik besser vermitteln und die Gesellschaft muss umdenken. Wir sind zwar in unserem Leben immer und überall mit Technik konfrontiert, aber wir anerkennen nicht, wie wichtig sie für die Gesellschaft ist.»

Ingenieurinnen in die Schulen

Für die Allgemeinbildung heisst das: Technische Zusammenhänge müssen in der Schule mehr Platz bekommen. Bereits heute organisiert die SVIN Besuche von Ingenieurinnen in Schulen, um den Jugendlichen zu zeigen, dass auch Frauen den Beruf ergreifen können.

Ansonsten, so fürchtet Manz-Brunner, dreht sich die Spirale weiter: «Je weniger Frauen technische Berufe ergreifen, desto weniger dienen sie der jüngeren Generation als Vorbild.» Auch die Arbeitgeber will Manz-Brunner mehr in die Pflicht nehmen: «Sie müssen attraktive Stellen für Frauen anbieten. Teilzeitpensen für beide Geschlechter und Kinderkrippen sind wichtige Faktoren.»

Immer mit oranger Jacke und Helm

Frauen und technische Berufe - das ist auch für Daniel Löhr ein grosses und lang anhaltendes Problem. Der Personalberater der Firma EMS, die auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften aus dem technischen Bereich spezialisiert ist, sagt: «Viele Firmen würden gerne Frauen anstellen, doch sie finden schlicht keine.»

Löhr weiss auch, warum das so ist: «Frauen fühlen sich nicht wohl in dieser technischen Welt.» Daran sei aber die Branche in erster Linie selber schuld. «Die Welt der Ingenieure wird immer noch in abschreckender Weise dargestellt. Der Ingenieur trägt immer eine orange Jacke und einen Helm. Das wirkt absolut peinlich», kritisiert er.

Fachkräftemangel wird noch lange dauern

Löhr fordert, dass sich die technischen Berufe in der Schweiz interessanter und attraktiver darstellen. «Dann werden auch mehr Frauen die Berufe ergreifen», ist er überzeugt. Dass mit mehr Frauen das Problem des Fachkräftemangels schon behoben ist, glaubt er indes nicht: «Es wird noch lange dauern.»

Die betroffenen Firmen scheinen sich mit der Lücke unter den Fachkräften bereits so etwas wie abgefunden zu haben. Beim Winterthurer Maschinen- und Anlagenbauer Sulzer sind zurzeit rund 15 Stellen für technische Fachkräfte ausgeschrieben, wie Sprecherin Verena Gölkel sagt. Über die letzten Jahre hinweg sei dies ein durchschnittlicher Wert. Grundsätzlich würde auch der Winterthurer Maschinenbauer gern mehr Frauen einstellen: «Wir begrüssen die Bewerbungen von Frauen, weil wir überzeugt sind, dass gemischte Teams die besseren und innovativeren Lösungen finden.»

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