Ranghohes Taliban-MitgliedTaliban wollen Beziehungen zur Schweiz pflegen
Abdul Qahar Balkhi zählt zu den ranghöchsten Funktionären der Taliban und gab erstmals einer europäischen Zeitung ein Interview. Darin versichert er: «Die Angst vor uns ist unbegründet.»

- von
- Yasmin Rosner
Darum gehts
Seitdem die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen haben, wollen Tausende aus Angst das Land verlassen.
Doch die Angst sei unbegründet, verkündet ein ranghohes Taliban-Mitglied in einem Interview.
Die Taliban wollten Frieden und Wohlstand.
Und: Die neue Regierung wolle wirtschaftliche und persönliche Beziehungen mit anderen Ländern. Auch mit der Schweiz.
Am 15. August haben die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen. Was der Westen erst in den nächsten Wochen und Monaten als Szenario vermutete, passierte innerhalb von wenigen Tagen. Tausende Afghaninnen und Afghanen versuchen seither, das Land zu verlassen. Unzählige Evakuierungsflüge wurden gestartet. Abdul Qahar Balkhi, der dem «Blick» als erstem europäischen Medium ein schriftliches Interview gab, erklärt sich die Flucht wie folgt: «Sie fliehen wegen falscher Hollywood-Versprechen und der wirtschaftlichen Prosperität, die der Westen vermeintlich bietet.» Und nicht, weil die Taliban sie bedroht hätten. Balkhi betont: «Die Angst vor uns ist unbegründet.» Sie als Taliban würden für den Schutz des Lebens der afghanischen Bevölkerung garantieren.
Es habe – entgegen anders lautender Berichte – «keine Hinrichtungen oder aussergerichtliche Tötungen gegeben». Auch gebe es keine Listen von Personen, die mit dem Westen zusammengearbeitet haben und die aufgesucht würden. «Diese Berichte sind Unsinn. Sie sind erfunden.»
Unbegründet sei auch die Furcht von Frauen vor ihnen, so Balkhi handzahm. Die Taliban würden «die Rechte der Frauen im Rahmen des islamischen Rechts» schützen wollen. Sie dürften «in angemessener islamischer Kleidung» arbeiten und zur Schule gehen.
«Das ist deren Schuld, nicht unsere»
Ziel der Taliban sei es nun, ihrem Land Wohlstand und Frieden zu bringen. Dafür brauche es die Scharia – «eine ganzheitliche Lebensweise, die sehr vieles regelt» und sich nicht nur auf Strafen beschränke. Was sie wollen: «wirtschaftliche und persönliche Beziehungen» mit der internationale Gemeinschaft, die das Selbstbestimmungsrecht Afghanistans anerkennen solle. «Wir fordern die Länder der Welt – einschliesslich der Schweiz – auf, gute diplomatische, wirtschaftliche sowie zwischenmenschliche Beziehungen zu Afghanistan zu pflegen».
Den Anschlag des afghanischen IS-Ablegers in der Nähe des Flughafens verurteilt das Taliban-Mitglied. Die Schuld aber liege nicht bei ihnen, dass es so weit gekommen sei. «Die Attacke geschah in einem Gebiet, das unter der Kontrolle der US-Armee steht. Die hat es versäumt, die Sicherheit zu gewährleisten. Das ist deren Schuld, nicht unsere.»
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