Operation Salomon: Israels afrikanische Bürger

Aktualisiert

Operation SalomonIsraels afrikanische Bürger

Am 25. Mai 1991 flogen israelische Flugzeuge über 14 000 äthiopische Juden aus. Dabei wurde ein bis heute gültiger Weltrekord aufgestellt.

Rolf Maag
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Rolf Maag
Äthiopische Juden bei ihrer Ankunft in Israel

Äthiopische Juden bei ihrer Ankunft in Israel

In Afrika lebt heute auf über 30 Millionen Quadratkilometern rund eine Milliarde Menschen. Kein anderer Kontinent erreicht auch nur annähernd seine ethnische, sprachliche und vor allem religiöse Vielfalt. Neben dem Christentum und dem Islam, denen jeweils rund 40 Prozent der Afrikaner angehören, konnten sich zahlreiche Naturreligionen halten.

Weniger bekannt ist, dass es auch in mehreren Ländern jüdische Minderheiten gibt. Die wichtigste lebt seit Jahrhunderten im Norden Äthiopiens; dort konnte sie im Mittelalter sogar ein eigenes Königreich aufbauen.

Gründungsmythen

Die äthiopischen Juden bezeichnen sich selbst als «Beta Israel» (Haus Israel), von ihren mehrheitlich christlichen Landsleuten werden sie abschätzig «Falascha» (Fremde) genannt. Um ihre Herkunft ranken sich mehrere Mythen: Manche glauben, sie seien Abkömmlinge des «verlorenen» Stammes Dan, andere halten sie für Nachfahren Meneliks I., des Sohnes von Salomon und der sagenhaften Königin von Saba. Wahrscheinlich stammen sie von äthiopischen Christen ab, die vor langer Zeit zum Judentum konvertierten.

Harte Zeiten unter der Diktatur

Als General Mengistu Haile Mariam 1974 Kaiser Haile Selassie stürzte und in den folgenden Jahren mit Unterstützung der Sowjetunion und Kubas eine kommunistische Militärdiktatur errichtete, wurde die Lage für die äthiopischen Juden zunehmend ungemütlich. Schon während des Putsches hatten sie 2500 Todesopfer zu beklagen gehabt, 7000 waren obdachlos geworden. Später wurden sie enteignet und zusammen mit nichtjüdischen Bauern in landwirtschaftliche Kooperativen gezwungen. In den 1980er-Jahren durfte sogar die jüdische Religion nicht mehr praktiziert, die hebräische Sprache nicht mehr unterrichtet werden.

Die erste Rettungsoperation

1975 entschied das israelische Rabbinat, die Beta Israel offiziell als Juden anzuerkennen, obwohl ihre Glaubenspraxis aufgrund der langen Isolation zum Teil erheblich von derjenigen anderer jüdischer Gemeinden abwich. Zwischen 1977 und 1984 flohen rund 8000 äthiopische Juden nach Israel. Ebenso vielen gelang zwischen November 1984 und Januar 1985 im Rahmen der «Operation Moses» mit israelischer und amerikanischer Hilfe die Ausreise über den Sudan. Doch als arabische Staaten diplomatischen Druck auf den Sudan ausübten, musste die Aktion abrupt abgebrochen werden. Etwa 15 000 Juden, besonders Frauen, Kinder und alte Leute, blieben in Äthiopien zurück.

Der Sturz des Diktators

Doch sechs Jahre später bot sich die Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Diktator Mengistu befand sich inzwischen in akuter Geldnot, da die in den letzten Zügen liegende Sowjetunion ihre Zahlungen eingestellt hatte. Seine Armee konnte die Milizen der Aufständischen aus den Provinzen Eritrea und Tigre nicht mehr aufhalten. Anfang Mai gab er auf und floh ins Exil nach Simbabwe, wo er bis heute lebt.

Operation Salomon

Das kurzfristig bestehende Machtvakuum nutzte Israel, um die «Operation Salomon» einzuleiten. Rund 15 000 Juden sassen seit einem Jahr auf dem Gelände der israelischen Botschaft in Äthiopiens Hauptstadt Adis Abeba fest. Da die israelische Fluggesellschaft El Al am Sabbat keine Flüge durchführt, stand am Freitagabend, dem 24. Mai 1991, die gesamte Flotte für die Rettungsaktion zur Verfügung. Dazu kamen mehrere Militärmaschinen zum Einsatz. Natürlich musste die Likud-Regierung unter Ministerpräsident Yitzhak Schamir die Sabbat-Verpflichtungen der beteiligten Piloten und Militärs per Dekret aufheben. Anschliessend konnten über 14 000 äthiopische Juden an Bord von insgesamt 34 Flugzeugen, deren Sitze entfernt worden waren, um Platz zu sparen, innerhalb von knapp 36 Stunden nach Israel gebracht werden. Eine Boeing 747 stellte dabei einen bis heute unerreichten Weltrekord auf: Es gelang ihr, nicht weniger als 1135 Passagiere zu transportieren, doppelt so viele wie auf einem Linienflug. Manche sprechen sogar von 1137 Fluggästen – zwei Babys hatten nämlich unterwegs das Licht der Welt erblickt.

Problematische Integration

Die Neuankömmlinge wurden zunächst enthusiastisch willkommen geheissen, doch das Leben in der modernen israelischen Gesellschaft gestaltete sich für die in einer völlig anderen Umgebung aufgewachsenen Afrikaner äusserst schwierig, obwohl ihre Ansiedlung in den Städten von der Regierung mit günstigen Darlehen und Hypotheken unterstützt wurde. Viele alteingesessene Israelis hatten kaum Kontakt mit ihnen, und in den Schlagzeilen der Presse waren sie meist nur ein Thema, wenn sich in der äthiopischen Gemeinschaft ein Gewaltverbrechen ereignet hatte. Doch die Probleme beginnen sich zu entschärfen, da mittlerweile 32 Prozent der rund 120 000 äthiopischen Juden in Israel geboren sind. Als wichtiger Integrationsfaktor hat sich vor allem der lange Militärdienst erwiesen.

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