Ist Brian ein gefährlicher Straftäter oder ein Opfer der Justiz? 

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SchweizIst Brian ein gefährlicher Straftäter oder ein Opfer der Justiz? 

Brian wird in den nächsten Tagen aus der Haft entlassen. Seine Strafakte ist lang und sein Fall komplex. 

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Wie das Zürcher Obergericht am Dienstag mitteilte, wird Brian in den nächsten Tagen aus der Haft entlassen. 

Wie das Zürcher Obergericht am Dienstag mitteilte, wird Brian in den nächsten Tagen aus der Haft entlassen. 

SRF Screenshot
Brian wurde im Januar von der JVA Pöschwies in ein Zürcher Untersuchungsgefängnis verlegt.

Brian wurde im Januar von der JVA Pöschwies in ein Zürcher Untersuchungsgefängnis verlegt.

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Zuvor sass er drei Jahre in Isolationshaft. 

Zuvor sass er drei Jahre in Isolationshaft. 

20min/Marco Zangger

Darum gehts

Brian (27), der bekannteste Häftling der Schweiz, beschäftigt die Justiz seit mehr als zehn Jahren. Zuletzt sass er über fünf Jahre ununterbrochen in Haft, mehr als drei davon in Isolationshaft. In den nächsten Tagen kommt er frei. Eine Chronologie zeigt das Leben von Brian hinter Gittern.

Als Kind und Jugendlicher straffällig

Schon in Kinderjahren wurde der heute 27-jährige Zürcher aktenkundig. Von 2006 bis 2011 werden insgesamt 34 Delikte aufgeführt. Auf «humanrights.ch» wird das Leben von Brian detailliert dokumentiert. Sein erstes schweres Gewaltdelikt beging er als 15-Jähriger. In Zürich-Schwamendingen stach er 2011 einem 18-Jährigen mit einem Messer in den Rücken. Danach sass er neun Monate in U-Haft und wurde schliesslich wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. 

Sondersetting für 29’000 Franken

2012 bis 2013 verbrachte Brian mehrheitlich in einem für ihn geschaffenen Sondersetting. Während dieser Zeit wurde er eng betreut, absolvierte eine Therapie und trainierte Thaiboxen. 13 Monate blieb der Zürcher deliktfrei. In einem im August 2013 ausgestrahlten SRF-Dokumentarfilm wurden die Kosten der Massnahme bekannt: rund 29’000 Franken im Monat. Eine heftige öffentliche Debatte führte schliesslich zum Abbruch des Sondersettings. Brian wurde ins Massnahmenzentrum Uitikon verlegt, bis das Bundesgericht 2014 entschied, dass die erneute Inhaftierung widerrechtlich war. Brian ging zurück in ein Sondersetting und wurde später entlassen.

Ins Gesicht geschlagen und Kiefer gebrochen

2016 schlug Brian einer Person bei einer Auseinandersetzung in einem Tram ins Gesicht und brach ihr dabei den Kiefer. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Seither sass Brian ununterbrochen in verschiedenen Gefängnissen in Haft, einen Teil davon in Einzelhaft. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies kam es im Juni 2017 zu einem Vorfall, dessen Verfahren bis heute anhält. In einem Gesprächszimmer soll es zu einer Auseinandersetzung zwischen Brian und einem Gefängnismitarbeiter gekommen sein, bei welcher der Aufseher verletzt wurde. Danach wurde erneut U-Haft angeordnet.

Über drei Jahre in Isolationshaft

Im August 2018 wurde Brian, der zuvor für eine Weile im Gefängnis Burgdorf war, in eine Sonderzelle in der JVA Pöschwies verlegt. Über drei Jahre verbrachte er hier in Isolationshaft. Dabei durfte er jeweils eine Stunde täglich, begleitet von mehreren Aufseherinnen und Aufsehern und mit Hand- und Fussfesseln, die Zelle verlassen. An den Wochenenden durfte Brian über zwei Jahre nicht auf den Spazierhof. Begründet wurde dies mit fehlenden Personalressourcen.

Foltervorwürfe und bessere Haftbedingungen gefordert

Im November 2019 wurde der Zürcher vom Bezirksgericht Dielsdorf unter anderem wegen des Vorfalls mit dem Gefängnismitarbeiter wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Drohung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Obergericht erhöhte im Juni 2021 die Strafe auf sechs Jahre und vier Monate. Das Urteil wurde im November 2021 vom Bundesgericht aufgehoben und das Verfahren ans Obergericht zurückgewiesen. Die Vorinstanz habe sich zu Unrecht nur mit den aktuellen Haftbedingungen, nicht auch mit den früheren Strafen und (Zwangs-)Massnahmen befasst. Während des Verfahrens vor dem Obergericht sorgten Foltervorwürfe vonseiten des UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer für Schlagzeilen. Er forderte beim Bund schriftlich bessere Haftbedingungen für Brian. Die Zürcher Justiz wies die Vorwürfe im August 2021 zurück.

Brian verklagt Kanton Zürich

2021 klagte Brian gegen den Kanton Zürich wegen unmenschlicher Behandlung im Gefängnis. Er wollte 40’000 Franken Entschädigung. Das Bezirksgericht Zürich stellte im März 2021 fest, dass die Haftbedingungen, denen Brian 2017 im Gefängnis Pfäffikon ausgesetzt war, gegen die Vorschriften der EMRK und der Bundesverfassung verstiessen und eine Persönlichkeitsverletzung darstellten. Nachdem das Obergericht das ursprüngliche erstinstanzliche Urteil aufgehoben hatte, sprach das Bezirksgericht Zürich Brian eine Genugtuung von 1000 Franken zu. 

Sieg für Brian

Im Januar 2022 dann ein Sieg für Brian: Als Reaktion auf ein Bundesgerichtsurteil vom Dezember 2021 wurde der 27-Jährige aus der Einzelhaft in der JVA Pöschwies entlassen und ins Bezirksgefängnis Zürich, in den Gruppenvollzug verlegt. Hier konnte er erstmals nach seiner über dreijährigen Einzelhaft mit anderen Insassen interagieren. Das hat sich bewährt. Kürzlich sagte das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung der «NZZ am Sonntag»: «Es zeigt sich, dass die Verlegung und die Änderung des Vollzugs- und Betreuungssettings tatsächlich die erhoffte Entspannung der Situation bewirkt ha­ben.»

Überhaft droht

Brian wird in den nächsten Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Der Grund ist, dass die sogenannte Überhaft droht. Zuletzt sass er über fünf Jahre ununterbrochen in Haft, mehr als drei davon in Isolationshaft. Wie das Zürcher Obergericht am Dienstag mitteilte, ist die Haftdauer inzwischen in grosse zeitliche Nähe der konkret zu erwartenden Dauer der Freiheitsstrafe gerückt, während das Berufungsverfahren noch längere Zeit beanspruchen könnte. Die Sicherheitshaft ist gesetzlich streng geregelt. Sie muss unter anderem verhältnismässig sein und darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.

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