So starben 9 Wanderer am Djatlow-Pass: Ist das Rätsel um den «Berg des Todes» wirklich gelöst?

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So starben 9 Wanderer am Djatlow-PassIst das Rätsel um den «Berg des Todes» wirklich gelöst?

Im Ural starben 1959 neun russische Wanderer einen schrecklichen Tod. Die Umstände sind bis heute ungeklärt. Wissenschaftler aus Lausanne und Zürich untermauern nun aber eine der bisherigen Theorien.

von
Fee Anabelle Riebeling

Darum gehts

  • Was passierte am Djatlow-Pass?

  • Diese Frage gibt seit über 60 Jahren Rätsel auf.

  • Fest steht nur: Neun Wanderer kamen damals zu Tode.

  • Wie und warum, ist nach wie vor unklar – die Erklärungen reichen von Aliens bis zu geheimen Waffen.

  • Auch Schweizer Forschende sind dem Thema nun ganz seriös nachgegangen.

Ihr Ziel war der Berg Otorten im Uralgebirge. Doch dort kamen die russischen Studenten nie an. Stattdessen starben die jungen Männer und Frauen, die am 25. Januar 1959 aufgebrochen waren, in der Nacht auf den 2. Februar 1959 unter mysteriösen Umständen (siehe Bildstrecke). Die Stelle, an der die neun umkamen, heisst seither Djatlow-Pass. Er ist benannt nach Igor Alexejewitsch Djatlow, dem 23-jährigen Anführer der Gruppe, deren Tod bis heute ungeklärt ist.

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60 Jahre ist es her, dass am Djatlow-Pass in Russland eine Gruppe Wanderer unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben kam. Nun sollen neue Ermittlungen Licht ins Dunkel der Geschehnisse am «Berg des Todes» bringen.

60 Jahre ist es her, dass am Djatlow-Pass in Russland eine Gruppe Wanderer unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben kam. Nun sollen neue Ermittlungen Licht ins Dunkel der Geschehnisse am «Berg des Todes» bringen.

Dyatlov Memorial Foundation
Was man bisher weiss: Acht Männer und zwei Frauen wollten 1959 zum Berg Otorten im Ural wandern. Doch dort kamen sie nicht an. Doch davon ahnte die Truppe – hier gemeinsam mit ihren Unterstützern – vor Antritt der Expedition nichts.

Was man bisher weiss: Acht Männer und zwei Frauen wollten 1959 zum Berg Otorten im Ural wandern. Doch dort kamen sie nicht an. Doch davon ahnte die Truppe – hier gemeinsam mit ihren Unterstützern – vor Antritt der Expedition nichts.

Screenshot/PD
Stattdessen wurden die von  Igor Alexejewitsch Djatlow angeführte Gruppe später tot und grob entstellt aufgefunden. Die Umstände sind bis heute ungeklärt.

Stattdessen wurden die von Igor Alexejewitsch Djatlow angeführte Gruppe später tot und grob entstellt aufgefunden. Die Umstände sind bis heute ungeklärt.

Dyatlov Memorial Foundation

An Theorien mangelt es indes nicht. Demnach tragen wahlweise Aliens, der Yeti oder Höhenwinde die Schuld für das frühe und den Verletzungen zufolge schreckliche Ende der Studenten. Alternativ wurden auch militärische Geheimexperimente und -waffen sowie ein Zustand namens Hyperthermie-Demenz zur Erklärung herangezogen, ebenso wie von Blitzen begleitete Wetterkapriolen. Einer anderen These nach könnte auch eine Lawine den neun das Leben gekostet haben.

Eine im Fachjournal «Communications Earth & Environment» veröffentlichte Untersuchung von Johan Gaume vom Snow and Avalanche Simulation Laboratory der ETH Lausanne und Alexander Puzrin vom Institut für Geotechnik der ETH Zürich stützt nun den Lawinenansatz. Demzufolge könnte eine Schneebrettlawine die Schlafenden im Zelt überrascht haben (siehe Video oben).

Neue Forschung stützt alte Theorie

Die Theorie vertritt auch die russische Generalstaatsanwaltschaft, die auf Bitte der Hinterbliebenen im Jahr 2019 die Ermittlungen wieder aufgenommen hatte. Angesichts der dürftigen Beweislage sowie einiger seltsamer Gegebenheiten bleiben viele Russen allerdings skeptisch, wie die ETH Lausanne mitteilt. «Einer der Hauptgründe, warum die Lawinentheorie immer noch keine breite Anerkennung findet, ist, dass die Behörden den genauen Ablauf nicht erklären konnten», sagt Gaume.

Tatsächlich spricht auch einiges gegen diese Theorie. So fand der Suchtrupp weder eindeutige Beweise für eine Lawine noch deren Ablagerung, und mit weniger als 30 Grad ist die durchschnittliche Hangneigung oberhalb des Lagers nicht steil genug für eine Lawine. Und schliesslich sind die an einigen Leichen gefundenen Brust- und Schädelverletzungen nicht typisch für eine Lawine. Auch «konnten frühere Ermittlungen nicht erklären, wie mitten in der Nacht eine Lawine ausgelöst werden kann, wenn es am Abend davor nicht geschneit hat. Wir brauchten eine neue Theorie, die genau das erklärt», so Gaume. Die haben er und Puzrin gefunden.

Studenten schaufelten wortwörtlich ihr eigenes Grab

Nach der Durchsicht der Archive, die der Öffentlichkeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zugänglich gemacht worden waren und Gesprächen mit anderen Forschenden, entwickelten Gaume und Puzrin, der auf Erdrutsche und zeitversetzte Lawinenabgänge spezialisiert ist, Modelle zur Rekonstruktion der Lawine, der die Expeditionsteilnehmer zum Opfer gefallen sein könnten.

Mithilfe von Daten zur Reibung zwischen Schneeschichten und der lokalen Topografie zeigten sie, dass eine kleine Schneebrettlawine auf einem flacheren Hang abgehen kann, ohne grosse Spuren zu hinterlassen. Computersimulationen bestätigten, dass eine solche ähnliche Verletzungen hervorrufen kann, wie die, die an einigen der Toten gefunden wurden. Laut den Forschenden ist es also vorstellbar, dass die Gruppe in der Schneedecke des Hangs eine Grube für ihr Zelt aushob und damit einen tödlichen Prozess in Gang setzte.

Eine wichtige Rolle dürften auch sogenannt katabatische Winde gespielt haben– kalte Luft, die unter dem Einfluss der Schwerkraft hangabwärts weht. Diese Winde könnten dafür gesorgt haben, dass sich Schnee oberhalb des Zelts ansammelte. «Hätten sie den Hang nicht angeschnitten, wäre nichts passiert», erklärt Puzrin. «Irgendwann bildete sich dann möglicherweise ein Riss und breitete sich aus. Und am Ende ging ein Schneebrett ab.» Die Lawine selbst ging aber erst viele Stunden später ab.

Keine Erklärung für Radioaktivität an den Opfern

Ist das also die Lösung des Djatlow-Falls? Nein. Das Mysterium bleibt bestehen, so Puzrin zu 20 Minuten. «Tatsache ist, dass niemand wirklich weiss, was in dieser Nacht geschah. Aber wir haben starke quantitative Beweise, die die Lawinentheorie untermauern.»

Tatsächlich bleiben auch weiterhin Fragen offen: etwa, was es mit der bei einigen Opfern festgestellten Radioaktivität auf sich hat. «Das haben wir nicht untersucht», so Puzrin zu 20 Minuten. Aber auch ihnen seien die Berichte untergekommen. Demnach konnten bei zwei Opfern schwache radioaktive Spuren auf den Kleidern nachgewiesen werden – woher diese stammten, ist unklar. Eine mögliche Erklärung ist: Einige der Studenten haben als Ingenieure in Jekaterinburg in Nuklearforschungsinstituten gearbeitet. So könnten sie mit der Strahlung in Kontakt gekommen sein. Vielleicht.

Im Film «Devil's Pass» (2014) will eine Gruppe US-Studenten den Todesfällen am Djatlow-Pass auf den Grund gehen – und kommt selbst ums Leben.

Video: Ascot Elite Entertainment

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