Goetheanum-Brand in Dornach: Neue Theorie zur Brandursache

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Dornach SOJahrhundertbrand – Ingenieur ist sich sicher, dass es keinen Feuerteufel gab

Vor 100 Jahren brannte in der Silvesternacht das erste Goetheanum in Dornach auf die Grundmauern nieder. Bis jetzt geht man von Brandstiftung aus. Ein niederländischer Ingenieur sieht das anders.

Lukas Hausendorf
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Lukas Hausendorf
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Am Neujahrsmorgen war nicht mehr viel vom Kuppelbau in Dornach übrig. Die ganze Nacht wütete das Feuer, eine Hundertschaft von Feuerwehrleuten kämpfte vergebens dagegen an.

Am Neujahrsmorgen war nicht mehr viel vom Kuppelbau in Dornach übrig. Die ganze Nacht wütete das Feuer, eine Hundertschaft von Feuerwehrleuten kämpfte vergebens dagegen an.

Max Benzinger
Nur der Betonsockel blieb vom Zentrum der anthroposophischen Bewegung übrig. Die Ursache war rasch klar: Brandstiftung. Ein Hinweis darauf soll auch ein zerbrochener Spiegel gewesen sein, der nahe des Brandherds gelegen hatte.

Nur der Betonsockel blieb vom Zentrum der anthroposophischen Bewegung übrig. Die Ursache war rasch klar: Brandstiftung. Ein Hinweis darauf soll auch ein zerbrochener Spiegel gewesen sein, der nahe des Brandherds gelegen hatte.

Daniel Hindes: Rudolf Steiner Web
Zehn Jahre zuvor wurde der Grundstein für das Goetheanum gelegt. Es wurde zum Zentrum der Anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner. Dieser hatte selbst in den Tagen nach dem Brand bereits Ermittlungsansätze zur Hand.

Zehn Jahre zuvor wurde der Grundstein für das Goetheanum gelegt. Es wurde zum Zentrum der Anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner. Dieser hatte selbst in den Tagen nach dem Brand bereits Ermittlungsansätze zur Hand.

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Darum gehts

In der Silvesternacht vor 100 Jahren brannte das erste Goetheanum in Dornach bis auf die Grundmauern nieder. Das Zentrum der anthroposophischen Bewegung von Rudolf Steiner war erst wenige Jahre zuvor fertiggestellt worden. Noch in der Brandnacht strömten Schaulustige nach Dornach, am Neujahrsmorgen musste die Birseckbahn gar Extrakurse einsetzen, um die Tausenden von Katastrophentouristen zu transportieren. Bis heute geht man von Brandstiftung aus, die Täterschaft konnte aber nie eruiert werden. Lange galt der Arlesheimer Uhrmacher und Anthroposoph Jakob Ott als Hauptverdächtiger, er wurde aber 2007 offiziell entlastet.

Eine technische Ursache für den Brand gilt bis heute als ausgeschlossen. Der niederländische Architekt und Ingenieur Latief Perotti sieht das anders. Er kommt in einem Bericht, den er anlässlich des hundertsten Jahrestags der Katastrophe verfasst hat, zum Schluss, dass das Feuer sehr wohl technischer Natur war. «Es gab keine Brandstiftung», ist er sich sicher. Ohne forensische Beweise zur Hand zu haben, bleibt die Theorie des 81-jährigen Anthroposophen natürlich Spekulation.

Öl, Gas und elektrostatische Ladung?

Er glaubt, dass eine Verkettung von natürlichen Ursachen den Schwelbrand verursachte. Die Kuppelkonstruktion war aus Lärchenholz gebaut, aus dessen Harz das brennbare Terpentin gewonnen wird. Dessen Oberfläche sei mit einem brennbaren Holzwurm-Imprägniermittel behandelt worden, das Rudolf Steiner selbst entwickelt habe. Im Zusammenspiel mit der elektrostatisch aufgeladenen Dachoberfläche sei es dann zu einer unglücklichen Verkettung von Ereignissen gekommen. So dass sich angesammeltes Gas unter der Kuppel entzündet habe.

Die während Jahrzehnten verschollenen behördlichen Brandakten schliessen das aber offenbar aus. Zu diesem Schluss kommt Alexander Lüscher, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Rudolf Steiner Archivs, der ebenfalls zum Brand geforscht hat. Auf Geheiss des Solothurner Finanzdepartements hat der damals zuständige Gerichtspräsident Josef Haberthür am 18. Januar 1923 eine fünfköpfige Expertenkommission mit der Untersuchung des Brandes beauftragt. Deren Gutachten haben auch die Möglichkeit einer technischen Ursache untersucht.

Brandakten widersprechen Theorie

«Die Aussagen der aufgebotenen Feuerwehr weisen eindeutig auf die Westwand des Südportals als Ausgangspunkt des Brandes», so Lüscher. Damit ist Perottis Theorie eigentlich vom Tisch. Andere technische Möglichkeiten wie Teekocher in Künstlerzimmern oder Bügeleisen in Garderoben seien im Verlauf der Untersuchung ausgeschlossen worden. Selbst der Verdacht eines möglichen Versicherungsbetrugs wurde durch einen Experten abgeklärt und als «nichtig» befunden. Bleibt also Brandstiftung.

«Die Frage nach der Täterschaft ist also nach wie vor ungeklärt», kommt Lüscher zum Schluss. Vieles deute darauf hin, dass es keine Einzeltäterschaft war. Auch die Beschränkung der Suche nach Tatverdächtigen im katholischen Milieu sei durch nichts gerechtfertigt. Der Arlesheimer Pfarrer Max Kully hatte damals Stimmung gemacht gegen die Anthroposophen. Das mache ihn aber noch nicht zum Anstifter. «Die Gegnerschaft gegen Rudolf Steiner war sehr heftig und umfasste viele Kreise», so Lüscher. 

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