Strahlenalarm: Japanern vergeht der Appetit auf Fisch

Aktualisiert

StrahlenalarmJapanern vergeht der Appetit auf Fisch

Seit dem Atomunglück lassen sich viele Japaner den Kauf von Fisch zwei Mal durch den Kopf gehen. Oder verzichten gleich ganz darauf. Was die Fischhändler ärgert, freut die Tierschützer.

von
G. Moinat

(Video: APTN-Video)

Normalerweise sorgt der weltgrösste Fischmarkt Tsukiji in Tokyo mit der Versteigerung der teuersten Thunfische der Welt für Schlagzeilen. Doch nach dem Unglück im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ist alles anders. Nun wurden erhöhte Strahlenwerte im küstennahen Meerwasser gemeldet, und Gerüchte um kontaminierte Fische machen die Runde.

Entsprechend bleiben die Besucher in Tsukiji aus — und gemäss der Nachrichtenagentur AP gehen auch die Fischverkäufe zurück. Das spürt man am Fischmarkt: «Wir haben wenig Kunden. Und diese sind sehr selektiv in der Wahl ihres Fisches», sagt der Fischhändler Yoshiaki Saito im Video von AP. Er ergänzt: «Hoffentlich geht die Regierung das Problem schnell an.»

Die japanische Regierung jedoch sagt, dass das Strahlungslevel bisher kein unmittelbares Risiko darstelle. Ein Verbot von Meeresfrüchten sei deshalb noch nicht nötig. Auch der Verband der Fischereigenossenschaften weist solche Gerüchte zurück. «Aus den betroffenen Gegenden kommt kein Fisch. Also kann der Fisch auch nicht verstrahlt sein», sagt Rika Tatsuki.

Besorgte Konsumenten

Vor dem Beben bezog der Markt, dessen Grosshändler landesweit Restaurants mit Meeresfrüchten aller Art beliefern, 10 Prozent seines täglichen Verkaufsangebots von 2400 Tonnen Meeresfrüchten aus der betroffenen Tohoku-Region. Die Fischerei dort ist bekannt für Jakobsmuscheln, Seetang, Bonito und Haiflossen.

Auch wenn ein Grossteil der Fischerboote des Nordostens durch den Tsunami zerstört worden ist, bieten Verkäufer in Tsukiji immer noch grosse Mengen an frischem Thunfisch, Tintenfisch und vielem mehr an den Ständen feil.

Trotz der Beschwichtigungen und der gewährleisteten Versorgung bleibt aber die Kundschaft weg. Die zunehmenden Berichte über verstrahlte Lebensmittel wie Milch, Spinat oder Raps treffen den Nerv der Japaner. Die 29-jährige Hausfrau Remi Mitsui sagt: «Ich bin über die Kontamination des Meerwassers und der Fische besorgt, als ich hörte, dass die Strahlenbelastung immer mehr steigt und sich im menschlichen Körper ansammelt.»

So wie Mitsui wählen nun deshalb immer mehr Kunden ihre Lebensmittel sehr genau aus, fragen nach deren Herkunft und meiden alles, was aus dem Nordosten kommt. «Das könnte sich lange, vielleicht auf ein Jahrzehnt hinaus, auswirken, weil die Menschen keinen Fisch mehr essen würden», glaubt der Händler Mamoru Saito.

Den WWF freut's

Das freut die Tierschützer. «Es ist auf jeden Fall gut, wenn weniger Fisch gegessen wird», sagt etwa WWF-Sprecherin Corina Gyssler. Denn Fisch sollte als Delikatesse konsumiert werden und nicht täglich. Gerade der vom Aussterben bedrohte Blauflossenthunfisch, dessen zartes Fleisch sich besonders für Sushi eignet, wird von den Japanern illegal und legal in rauhen Mengen eingekauft.

«Dass sich die Menschen zurzeit vermehrt Gedanken über ihren Fischkonsum machen, nützt den Meeresbewohnern.» Japan gilt als grösstes Abnehmerland des vom Aussterben bedrohten Thunfisches.

Fischkonsum in der Schweiz

Von den knapp 70 000 Tonnen Fisch, die 2009 in der Schweiz konsumiert wurden, stammen 94 Prozent aus dem Ausland. 2009 wurden 20 479 Tonnen Süsswasserfisch importiert.

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