Schweizer Rotlicht-Studie: Jeden Tag gehen bis zu 18'700 Männer ins Puff

Aktualisiert

Schweizer Rotlicht-StudieJeden Tag gehen bis zu 18'700 Männer ins Puff

Eine umfassende Studie befasst sich mit der Rotlichtszene. Sie zeigt auf, wie viele Sexarbeiterinnen es in der Schweiz gibt, wo sie arbeiten – und was sie verdienen.

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Bordelle im Zürcher Niederdorf: Über das Schweizer Rotlichtmilieu wurde die bisher grösste Studie ausgearbeitet - Autoren sind die Kriminologen Martin Killias und Lorenz Biberstein, Auftraggeber ist das Bundesamt für Polizei.

Bordelle im Zürcher Niederdorf: Über das Schweizer Rotlichtmilieu wurde die bisher grösste Studie ausgearbeitet - Autoren sind die Kriminologen Martin Killias und Lorenz Biberstein, Auftraggeber ist das Bundesamt für Polizei.

Alessandro Della Bella
Strassenprostitiuierte in Lausanne: Gemäss Kriminologe Killias ist der Anteil der Sexarbeiterinnnen, die auf der Strasse anschaffen, in der Schweiz mit fünf Prozent deutlich geringer als in anderen Ländern. Das ist laut Killias dem «relativ liberalen Regime» in der Schweiz zu verdanken.

Strassenprostitiuierte in Lausanne: Gemäss Kriminologe Killias ist der Anteil der Sexarbeiterinnnen, die auf der Strasse anschaffen, in der Schweiz mit fünf Prozent deutlich geringer als in anderen Ländern. Das ist laut Killias dem «relativ liberalen Regime» in der Schweiz zu verdanken.

Jean-christophe Bott
Prostituierte in einem Genfer Salon: In der Schweiz gibt es laut der Studie 902 Bordelle. Die meisten befinden sich in den Kantonen Zürich und Basel-Stadt. Die Zahl der Sexarbeiterinnen in der Schweiz schätzt die Studie auf 4700. Von diesen hat nur jede Siebte einen Schweizer Pass.

Prostituierte in einem Genfer Salon: In der Schweiz gibt es laut der Studie 902 Bordelle. Die meisten befinden sich in den Kantonen Zürich und Basel-Stadt. Die Zahl der Sexarbeiterinnen in der Schweiz schätzt die Studie auf 4700. Von diesen hat nur jede Siebte einen Schweizer Pass.

Martial Trezzini

In der Schweiz gibt es insgesamt 902 Salons, Saunaclubs, Kontaktbars und Escortservices. Die meisten befinden sich in den Kantonen Zürich und Basel-Stadt. Das belegt laut der «Aargauer Zeitung» eine Studie, die die Kriminologen Lorenz Biberstein und Martin Killias im Auftrag des Bundesamts für Polizei durchgeführt haben. Und: Nicht nur bei den Angestellten, die dort ihren Körper verkaufen, handelt es sich mehrheitlich um Frauen: Auch die Leitung liegt bei mehr als der Hälfte der Betriebe in der Hand von Frauen, bei den Kleinbetrieben haben gar drei Viertel eine Chefin.

Und die sind oft gut ausgebildet: Jede Vierte hat ein Gymnasium besucht, jede Achte eine Universität. Diese Daten erhoben die Studienautoren, indem sie Rotlicht-Betrieben detaillierte Fragebogen zustellten – 99 füllten einen solchen aus.

11,5 Prozent der Prostituierten macht die Arbeit aus Freude

In der Schweiz arbeiten gemäss der Studie 4700 Sexarbeiterinnen, rund 1500 davon im Kanton Zürich. Von diesen hat nur jede Siebte einen Schweizer Pass – 13,5 Prozent der Prostitutierten stammen aus Rumänien, 12,1 Prozent aus Ungarn und 11,8 Prozent aus Deutschland. Dahinter folgen in der Liste Tschechinnen, Spanierinnen, Polinnen, Italienerinnen, Bulgarinnen, Französinnen, Brasilianerinnen und Thailänderinnen.

Warum aber haben diese Frauen den Beruf der Sexarbeiterin gewählt? 18,5 Prozent gaben an, sie wollten ihre Lebensumstände verbessern, 13,3 Prozent hoffen, so einen besseren Lebensstandard zu erreichen. 13 Prozent gaben an, sie könnten zwar eine andere Arbeit finden, aber keine so gut bezahlte. 12 Prozent wollen einfach schnell Geld verdienen und 11,5 Prozent sagen, ihnen bereite die Arbeit Freude.

Auch zu den Freiern wurden Daten erhoben: Die Studie geht davon aus, dass jeden Tag zwischen 6200 und 18'700 Männer ein Rotlicht-Etablissement aufsuchen. In der Schweiz beträgt die Zahl der Männer, die regelmässig für sexuelle Dienste bezahlen, 125'000. Das sind fünf Prozent aller Männer zwischen 20 und 65 Jahren, wobei laut der Studie die Mehrheit der Freier zwischen 40 und 60 Jahre alt ist.

Sex kostet weniger als früher

Auch die Preise für die sexuellen Dienstleistungen sind Thema der Studie. Es zeigt sich, dass sie gegenüber früher gesunken sind: 15 Minuten Sex kosten meist weniger als 100 Franken, 30 Minuten zwischen 100 und 200 Franken. Das Brutto-Jahreseinkommen einer Prostituierten beträgt 125'000 Franken. Da sie davon in der Regel jedoch einen erheblichen Betrag an den Bordellbetreiber abgeben müssen, liegt das Nettoeinkommen aber deutlich tiefer.

Die Umsätze des Schweizer Rotlichtmilieus beziffert die Studie auf 0,5 bis zu eine Milliarde Franken jährlich. Dies ist deutlich weniger als bisher vermutet: Das Bundesamt für Statistik ging bisher davon aus, dass Sexworkerinnen drei Milliarden Franken zum Bruttoinlandprodukt beitragen.

Kaum Zwangsprostitution in den Bordellen

Der «Aargauer Zeitung» sagt Studienautor Killias, in den Schweizer Bordellen würden Frauen kaum zur Prostitution gezwungen: «In der Schweiz werden Rotlicht-Etablissements mit Anfragen von Frauen überschwemmt. Von daher macht es ökonomisch keinen Sinn, Zwangsprostituierte einzusetzen.» Als positiv wertet Killias, dass nur fünf Prozent der Sexarbeiterinnen in der Schweiz auf der Strasse anschaffen – also dort, wo sie am wenigsten Schutz vor Gewalt haben. Von Gewalt seien vor allem Strassenprostituierte betroffen, in Bordellen sei sie ein «Randphänomen».

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